Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Löschung eines Social-Media-Posts und der Sperrung des Nutzer-Accounts; Bezeichnung von Menschen als "Untermenschen" bzw. "kriminelle Eindringlinge".
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1 S. 1; NetzDG § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 2 Nr. 3; StGB § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 185
Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 28.06.2019; Aktenzeichen 3 O 221/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 28.06.2019, Az.: 3 O 221/18, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung erscheint unbegründet.
I. Im Ergebnis hält der Senat die Zulässigkeit der Berufung (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO) unter Zurückstellung gewisser Bedenken im Hinblick auf § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in Anbetracht insbesondere des ganz überwiegend nur textbausteinartigen Inhalts der Berufungsbegründung für - zumindest noch - gegeben (vgl. Senat, Beschluss vom 18.03.2021 - 2 U 19/20 [Juris; Tz. 2]; Senat, Beschluss vom 03.05.2021 - 2 U 4/20; OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.03.2020 - 15 U 62/19, BeckRS 2020, 38484 Rn. 29).
II. In der Sache Erfolg haben wird die Berufung indes nicht. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zurecht abgewiesen.
1. Die Klage ist bereits unzulässig, soweit sie auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Löschung und Sperrung gerichtet ist. Die klageartspezifischen Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen insofern nicht vor (vgl. Senat, Beschluss vom 03.05.2021 - 2 U 4/20; OLG München, Urteil vom 07.01.2020 - 18 U 1491/19 Pre, GRUR-RR 2020, 174 = MMR 2021, 79 [Juris; Tz. 85 ff.]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.03.2020 - 15 U 62/19, BeckRS 2020, 38484 Rn. 32 ff.).
Ebenfalls bereits unzulässig ist die Klage - mangels hinreichender Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) - insofern, als sie auf eine Verurteilung der Beklagten zur Ersatzleistung in Geld in Höhe von jeweils 1.500,00 EUR für die beiden streitbegriffenen Vorfälle - insgesamt also 3.000,00 EUR - abzielt. Ausweislich seiner dahingehenden Ausführungen in der Klageschrift vom 22.06.2018 (Seiten 38 ff. = Band I Blatt 42 ff. d.A.) bzw. in dem klageerweiternden Schriftsatz vom 11.05.2019 (Seiten 58 ff. = Band III Blatt 440 ff. d.A.) macht der Kläger nämlich materielle und immaterielle Schäden zugleich geltend, ohne hierbei klarzustellen, wie der insgesamt eingeklagte Betrag auf materielle und immaterielle Schäden "aufzuteilen" ist. Da es sich insofern nicht lediglich um verschiedene Anspruchsgrundlagen nach materiellem Recht handelt, sondern auch um prozessual selbständige - mehrere - Streitgegenstände, wäre eine klare betragsmäßige Aufteilung der Klageforderung zwingend erforderlich gewesen (Senat, Beschluss vom 03.05.2021 - 2 U 4/20).
Der Senat wird im Tenor des in Aussicht genommenen Zurückweisungsbeschlusses zum Ausdruck bringen, dass die - vom Landgericht insgesamt für zulässig gehaltene - Klage im vorbezeichneten Umfang bereits unzulässig ist. Der Umstand, dass damit das Sachurteil partiell zum Prozessurteil wird, was für den Kläger jedenfalls aus abstraktem Blickwinkel den Vorteil beinhaltet, dass insoweit keine materiell rechtskraftfähige Aberkennung von Ansprüchen erfolgt, ändert - insbesondere auch mit Blick auf den Kostenpunkt (§ 97 Abs. 1 ZPO) - nichts daran, dass die Berufung insgesamt erfolglos bleibt, weil sich an der Klageabweisung im Ergebnis nichts ändert.
2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
a) Hinsichtlich der Löschung und Sperrung vom 09.05.2018 geht der Senat mit dem Landgericht von der Entscheidungsmaßgeblichkeit desjenigen Postinhalts aus, in dem der Kläger die am Osterwochenende 2018 im "Volkspark ..." in ... versammelten Männer bosnischer Herkunft, die - lagernd um ein Dutzend an Drehspießen gegrillter Schafe - Ostern feiern wollten, als "Untermenschen" bezeichnet hat.
(1) Jedenfalls in dieser Fassung sprach der Post einer konkret umrissenen und damit individualisierten Menschengruppe - nämlich den im "Volkspark ..." zu einem näher bestimmten Zeitpunkt versammelten Personen - schon im Ansatz den menschlichen Achtungsanspruch ab. Er degradierte die Angesprochenen zu einer minderwertigen Spezies, zu - bestenfalls - "Menschen zweiter Klasse". Damit sind die betreffenden Personen unzweifelhaft beleidigt worden (§ 185 StGB; vgl. MüKoStGB/Regge/Pegel, 04. Aufl. 2021, Vor § 185 Rn. 41). Zugleich ist damit - dies unabhängig von der Individualisierbarkeit der Betroffenen - der Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht worden (vgl. NK-StGB/Ostend...