Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Post-Löschung bzw. Account-Sperrung im Bereich von SocialMedia ("Schwarze Sonne").
Normenkette
BGB § 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1 S. 1; NetzDG § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 2 Nr. 3; StGB § 86 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 24.01.2020; Aktenzeichen 3 O 1065/18 (2)) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers - unter deren Zurückweisung im Übrigen - wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 24.01.2020 (Az.: 3 O 1065/18 (2)) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte - bei im Übrigen bestehen bleibender Klageabweisung, die nunmehr indes auch hinsichtlich des Antrages auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200,00 EUR nebst Zinsen wegen Unzulässigkeit erfolgt - verurteilt wird,
a) das nachfolgende - am 17.08.2018 gelöschte - Profilbild wieder freizuschalten:
...
b) das nachfolgende - am 29.08.2018 gelöschte - Profilbild wieder freizuschalten:
...
c) es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen der beiden vorbezeichneten Bilder oder anderer Bilder, die das folgende Symbol beinhalten:
((Abbildung))
auf www...com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen; für den Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen, angedroht;
d) den Kläger von Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 498,72 EUR durch Zahlung an die Kanzlei ... freizustellen;
e) die Datenlage in Bezug auf den ...-Account des Klägers dahingehend zu ändern, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch die am 17.08.2018 und am 29.08.2018 gelöschten Beiträge aus dem Datensatz gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um jeweils einen Verstoß zurückgesetzt wird.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 35 % und die Beklagte 65 %.
3. Das unter Ziffer 1 genannte Urteil und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird - unter Abänderung der landgerichtlichen Wertfestsetzung für beide Instanzen - auf 9.200,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Senat nimmt zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zunächst insgesamt auf seinen Hinweisbeschluss vom 03.05.2021 (Band VI Blatt 55 ff. d.A.) Bezug. Danach hat die Berufung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
A) Insbesondere kann der Kläger - was den Kern des Streitstoffes bildet - (Wieder-) Freischaltung und Unterlassung künftiger (Account-) Sperrung bzw. (Post-) Löschung verlangen. Die streitbegriffene "Schwarze Sonne" findet zwar (auch) in der "rechten" oder ggf. auch "rechtsextremen Szene" als Zeichen Verwendung. Sie "repräsentiert" aber - soweit sie, wie hier, für sich stehend abgebildet wird, also ohne das Hinzutreten von Schriftzügen, komplementären Bildelementen oder sonstigen visuellen "Begleitern", die einen Bezug zu einem konkreten Verband (Partei, Parteiorganisation, Verein o.ä.) erkennen lassen - keine bestimmte "Hassorganisation" oder "kriminelle Vereinigung". Erstrecht sind keine Straftatbestände erfüllt. Damit lassen weder die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen noch die Nutzungsbedingungen bzw. Gemeinschaftsstandards der Beklagten die Verhängung von Sanktionen zu. Das AGB-Regelwerk der Beklagten in der hier anzuwendenden Fassung beschränkt sich ausdrücklich auf die Untersagung solcher Symbole, die sich einer "Organisation" oder "Vereinigung" - konkret - zuordnen lassen.
Die "Szene" als solche ist weder das eine noch das andere. Vor diesem Hintergrund lässt das von der Beklagten selbst geschaffene Reglement - soweit es nicht ohnehin mit Rücksicht auf die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung als unwirksam anzusehen ist - eine andere Entscheidung nicht zu.
1) Hierzu ist in dem Hinweisbeschluss vom 03.05.2021 u.a. das Folgende ausgeführt worden:
2. (...) Die Voraussetzungen der mit der Klage angegriffenen Post-Löschung (bzw. Account-Sperrung) wegen der Verwendung des Bildes der "Schwarzen Sonne" durch den Kläger am 17.08.2018 bzw. 29.08.2018 - der im Rahmen des Posts vom 17.08.2018 ebenfalls abgebildete "Donarshammer" war unstreitig kein tauglicher Grund für die Löschung bzw. Sperrung - haben nicht vorgelegen. Damit hat die Beklagte ihre Pflichten aus dem Nutzungsvertrag mit dem Kläger verletzt. Sie hat den streitbegriffenen Post daher im Wege der Naturalrestitution wiederherzustellen (§§ 249 Abs. 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. OLG München, Urteil vom 07.01.2020 - 18 U 1491/19 Pre, GRUR-RR 2020, 174 = MMR 2021, 79 [Juris; Tz. 90 u.a.]).
a) Dabei kommt es auf die (...) Frage der Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten nicht an. Auch spielt es für den Fall, dass man von einer Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards auszugehen hätte, keine Rolle, ob die bezeichneten Reglements der Beklagten einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungss...