Leitsatz (amtlich)
1. Die zur Verlängerung der Frist für die Berufungsbegündung (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO) höchstrichterlich entwickelte „Vertrauensrechtsprechung” findet auf den Antrag zur Verlängerung der nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmten Stellungnahmefrist keine uneingeschränkte Anwendung. Im Anwendungsbereich des § 522 Abs. 2 ZPO sind die eine Fristverlängerung rechtfertigenden „erheblichen Gründe” restriktiver zu beurteilen.
2. Ein Vertrauen auf eine Verlängerung der Stellungnahmefrist (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ist nicht gerechtfertigt, wenn die gerichtlich auf einen Monat bestimmte Frist zugleich mit dem Hinweis verbunden wird, dass eine Fristverlängerung grundsätzlich nicht gewährt werden kann, der Berufungsführer aber erst am letzten Tag des Fristablaufs eine Verlängerung beantragt, ohne eingehend zu den „erheblichen Gründen” vorzutragen.
Normenkette
ZPO § 224 Abs. 2, §§ 225, 520 Abs. 2 S. 3, § 522 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Stralsund (Urteil vom 18.09.2002; Aktenzeichen 7 O 500/01) |
Tenor
I. Der Antrag der Beklagten vom 26.05.2003 auf Fristverlängerung zur gerichtlichen Verfügung vom 24.04.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.09.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund (Az.: 7 O 500/01) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
III. Streitwert der Berufung: 8.801,58 EUR (= 17.214,40 DM).
Tatbestand
A.
Dss Landgericht verurteilte die Beklagte mit dem am 18.09.2002 verkündeten Urteil zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 8.801,58 EUR nebst Zinsen. Zur Begründung führte es aus, gegenüber der dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Klageforderung greife die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung nicht durch, da die streitgegenständlichen Abtretungen nicht hinreichend bestimmt seien.
Mit ihrer dagegen gerichteten, form- und fristgerechten eingelegten Berufung vertritt die Beklagte – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – die Auffassung, es sei von einer ausreichenden Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderungsmehrheit auszugehen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 23.04.2003, der Beklagten zugestellt am 25.04.2003, hat der Senat – unter näherer Darlegung seiner Rechtsauffassung – darauf hingewiesen (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO), dass beabsichtigt ist die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Zurückweisung durch einstimmigen Beschluss (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO) als erfüllt anzusehen sind. Die Frist zur Stellungnahme für die Berklagte zu diesem Hinweis ist auf 1 Monat bemessen und dazu wie folgt ausgeführt worden:
„Somit kommt die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht. Sie haben Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen. Mit einem Monat – genauso lang wie die Berufungsbegründungsfrist – ist die Äußerungsfrist ausreichend bemessen, denn nach Abfassung der Begründungsschrift erübrigt sich eine erneute Einarbeitung in die Akten. Innerhalb dieser Frist sollte es auch einem arbeitsmäßig stark belasteten Rechtsanwalt möglich sein, mit der Mandantschaft zu sprechen, das weitere Vorgehen abzustimmen und den Schriftsatz zu fertigen. Die Frist wird deshalb nicht verlängert werden.”
Mit Schriftsatz vom 26.05.2003, eingegangen per Telefax bei Gericht am gleichen Tage, hat die Beklagte Fristverlängerung zur gerichtlichen Verfügung bis zum 10.06.2003 beantragt. Zur Begründung hat der Beklagtenvertreter ausgeführt, er sei „aufgrund andauernder krankheitsbedingter Ausfälle im Büro arbeitsmäßig so stark in Anspruch genommen, dass eine abschließende Stellungnahme mit zugrundeliegender Rücksprache mit der Mandantschaft nicht erarbeitet werden konnte.”
Entscheidungsgründe
B.
I.
Der Antrag auf Fristverlängerung zu dem gerichtlichen Hinweis zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ist zurückzuweisen, da erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung nicht glaubhaft gemacht sind (§ 224 Abs. 2 ZPO).
1.
§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO schreibt zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vor, dass den Parteien – wie hier
geschehen – vor der Beschlussfassung des Senats nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO Gelegenheit gegeben wird, zu den dafür anzuführenden Gründen Stellung nehmen zu können (vgl. hier nur Zöller/Gummer, 23. Aufl., § 522 ZPO Rn. 34). Die vom Gericht oder dem Vorsitzenden zu setzende Frist muss angemessen sein. Mangels gegenteiliger gesetzlicher Anhaltspunkte, ist insoweit auf die Frist zur Klageerwiderung nach § 277 Abs. 3 ZPO abzustellen (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O.), die zwei Wochen beträgt. Diese gesetzliche Frist lässt erkennen, dass Gesetzgeber grundsätzlich die Zwei-Wochen-Frist für ausreichend erachtet, damit sich eine Partei im Rahmen der auch ihr obliegenden Prozessförderungspflicht zur Sache einlassen kann. Auch das Unverzüglichkeitsgebot in § 522 Abs. 2 ZPO spricht dafür, eine Frist von 14 Tagen genügen zu lasse...