Entscheidungsstichwort (Thema)
Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Verfahrensgang
LG Rostock (Entscheidung vom 02.10.2007; Aktenzeichen 14 Ns 183/06) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten, der litauischer Staatsangehöriger ist und in der Republik Litauen lebt, unerlaubte Einfuhr und unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln zur Last. Er soll am 05.05.2006 als Passagier eines Reisebusses in Frankfurt/Oder insgesamt 3.451 g Amphetamin, das in vier einzelnen Tüten in einer Winterjacke eingenäht war, in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht haben, um es über den Rostocker Überseehafen auf einer Fähre nach Schweden zum dortigen gewinnbringenden Weiterverkauf zu transportieren.
Von diesem Vorwurf ist der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 19.06.2006 - 21 Ls 279/06 - aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Eine erstmals auf den 19.03.2007 anberaumte Berufungsverhandlung konnte nicht durchgeführt werden, weil der Angeklagte trotz einer ordnungsgemäßen Ladung unentschuldigt nicht erschienen war. Zu der anschließend auf den 02.10.2007 bestimmten erneuten Berufungsverhandlung wurde der Angeklagte durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein geladen. In dieser Ladung, die der Angeklagte - soweit ersichtlich auch in litauischer Sprache - erhalten hat, wurde er gemäß § 216 Abs. 1 Satz 1 StPO auf die Folgen eines erneuten Ausbleibens hingewiesen. In dem Ladungsschreiben vom 27.07.2007 heißt es: "Wenn Sie ohne genügende Entschuldigung ausbleiben, kann über die Berufung des Staatsanwaltes in Ihrer Abwesenheit verhandelt werden. Sie können sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Auch wenn Sie durch einen Verteidiger vertreten werden, kann Ihre Verhaftung in Deutschland angeordnet werden". Gleichwohl erschien der Angeklagte auch in dieser Hauptverhandlung unentschuldigt nicht.
Daraufhin erließ die Berufungskammer auf einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft unter dem 02.10.2007 gemäß § 230 Abs. 2 StPO § 332 StPO einen Sicherungshaftbefehl, gegen den der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25.01.2008 Beschwerde eingelegt hat. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der angefochtene Haftbefehl hat Bestand.
1. Ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO setzt voraus, dass der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung ferngeblieben ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
2. Die Ladung, die entsprechend der Vorgabe des § 216 Abs. 1 StPO mit der darin vorgesehenen Warnung erfolgt ist, ist wirksam und dementsprechend eine geeignete Grundlage für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO.
a) Soweit einige Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt/M., NStZ-RR 1999, 18 ff. [Beschluss vom 21. Januar 1998 - 1 Ws 189/97]; ihm folgend OLG Köln, NStZ-RR 2006, 22 ff. [Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 2 Ws 488/05] und OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.05.2007 - 1 Ws 92/07, zitiert nach juris; a.A. offenbar OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.02.2005 - 1 Ws 73/05, zitiert nach juris) die Auffassung vertreten, die Ladung eines dauernd im Ausland lebenden Angeklagten dürfe nicht die in § 216 Abs. 1 StPO vorgeschriebene Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens enthalten und eine gleichwohl ausgesprochene Warnung mache die Ladung unwirksam mit der Folge, dass bei unentschuldigtem Ausbleiben in der Hauptverhandlung kein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO ergehen dürfe, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Sie kann sich weder auf gesetzliche Vorschriften noch auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts stützen. Zudem ist diese Auffassung durch die inzwischen erfolgte Rechtsentwicklung in Europa überholt und insbesondere mit den Grundgedanken des Schengener Übereinkommens vom 19.06.1990 nicht zu vereinbaren, das eine Vielzahl von Einschränkungen der Hoheitsrechte der Vertragsstaaten insbesondere auf dem Gebiet der Strafverfolgung vorsieht.
b) Der Wirksamkeit einer gemäß § 216 Abs. 1 Satz 1 StPO ausgesprochenen Ladung steht schon nicht die in Nr. 116 Abs.1 RiVASt enthaltene Regelung entgegen, nach der in im Ausland zuzustellenden Ladungen keine Zwangsmaßnahmen, auch nicht die Festsetzung von Ordnungsmitteln für den Fall des Ausbleibens, angedroht werden dürfen.
aa) Dabei kann offen bleiben, ob ein Verstoß gegen Bestimmungen der RiVASt die Unwirksamkeit einer Ladung und damit auch die Gesetzeswidrigkeit eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO zur Folge haben kann. Hierbei handelt es sich lediglich um allgemeine Richtlinien ohne Gesetzeskraft (Nr. 1 Abs. 1 RiVASt), die zudem auf den Regelfall abgestellt sind und von denen deshalb in besonderen Fällen abgewichen werden k...