Leitsatz (amtlich)

1. Beschränken die Versicherungsbedingungen einer Gebäudeversicherung den Ersatz von Schutz- und Bewegungskosten nicht auf insoweit tatsächlich entstandene Aufwendungen, kommt es für einen Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht darauf an, dass er eine Wiederherstellung des versicherten Objektes bereits sichergestellt hat oder überhaupt beabsichtigt (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Juni 2013 - IV ZR 228/12, VersR 2013, 1039).

2. Die Definition der Bewegungs- und Schutzkosten bedingt nicht, dass die identische Sache nach ihrer Demontage auch wieder installiert werden muss; vielmehr liegt eine durch die Bewegung der nicht versicherten Sache verursachte Aufwendung auch dann vor, wenn diese Sache von dem versicherten Gebäude nicht ohne ihre Beschädigung oder gar Zerstörung entfernt werden kann und daher bei einer Remontage neue, aber gleichartige Bauteile oder Materialien Verwendung finden müssen.

 

Normenkette

VVG §§ 1, 28; ZPO §§ 92, 314

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Aktenzeichen 10 HK O 20/18)

 

Tenor

I. Den Parteien wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten anheimgestellt,

1. im Falle der Klägerin, die Klage hinsichtlich eines Zinsanspruches, der Jahreszinsen aus 505.348,42 EUR in Höhe von vier Prozent für die Zeit vom 21.09.2016 bis zum 05.04.2018 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 06.04.2018 bis zum 11.04.2018 und aus 295.348,42 EUR in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.04.2018 übersteigt, sowie bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zurückzunehmen, und

2. im Falle des Beklagten, in eine solche teilweise Klagerücknahme einzuwilligen und die Berufung im Übrigen zurückzunehmen.

II. Sollten die Parteien der Abgabe der vorgeschlagenen Prozesserklärungen zur Erledigung des Rechtsstreits nicht näher treten können, wird zur Vermeidung eines ansonsten erforderlichen Termins zur mündlichen Verhandlung vorsorglich eine Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren anheimgestellt. Die Parteien werden für diesen Fall gebeten, binnen der hier gesetzten Frist mitzuteilen, ob sie

1) auf die Einreichung weiterer Schriftsätze nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens sowie

2) auf die gesonderte Mitteilung des Verkündungstermins

verzichten. Wird einem Übergang in das schriftliche Verfahren ebenfalls nicht zugestimmt, ist eine zeitnahe Terminierung beabsichtigt.

III. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf bis zu 320.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung erscheint nach vorläufiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage weitestgehend unbegründet.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 295.348,42 EUR gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit Teil C §§ 3 Nr. 4a bb), 17 Nr. 1c) VSG 2008. Der Beklagte hat den Zeitwertschaden an dem versicherten Gebäude ersetzt und bestreitet auch eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Aufräumungs- und Abbruchkosten nicht; darüber hinaus schuldet er ebenfalls die in der Differenz zu dem sachverständig festgestellten Gesamtschaden bzw. den bereits geleisteten Zahlungen des Beklagten noch verbleibende Klageforderung im Hinblick auf die Bewegungskosten für die Rohrleitungen der Kälteanlage auf dem Gebäudedach.

a. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Erstattung im Zusammenhang mit dem Gebäudeschaden versicherter Bewegungs- und Schutzkosten jedenfalls nach der hier geltenden Fassung der Versicherungsbedingungen mangels einer ausdrücklichen Beschränkung auf die insofern "tatsächlich entstandenen" Aufwendungen wie in Teil C § 3 Nr. 4a) VSG 2010 nicht voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet hat.

aa. Ohne begleitende Einschränkungen und Erläuterungen, welche verdeutlichen, dass Aufwendungen bei einer Person bereits angefallen oder von ihr veranlasst sein sollen, bringt allein das Substantiv "Aufwendungen" selbst bei gleichzeitiger Benennung ihres Zwecks nicht zum Ausdruck, ob der damit angesprochene Mitteleinsatz bereits geschehen sei oder nur geboten erscheine, aber noch ausstehe; ein dahingehendes Verständnis kann sich für den durchschnittlichen, um Verständnis der Bedingungen bemühten Versicherungsnehmer daher weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch des täglichen Lebens noch wegen der Bedeutung von "Aufwendungen" als feststehender Begriff der Rechtssprache ergeben (vgl. so zu den dort streitigen Aufräumungs- und Abbruchkosten BGH, Urteil vom 19.06.2013, Az.: IV ZR 228/12, - zitiert nach juris -, Rn. 20 ff., zu § 3 AFB 1987). Dem betreffenden Wortsinn des Terminus "Aufwendungen" kann kein unterschiedlicher Gehalt danach zukommen, ob er im Zusammenhang mit Aufräumungs- und Abbruchkosten oder aber mit Bewegungs- und Schutzkosten verwandt wird.

bb. Entgegen der Auffassung des Beklagt...

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