Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgangsrecht von Großeltern. Umgangsrecht von Großeltern mit dem Enkelkind nach Wegfall der Verwandtschaftsbeziehung durch Stiefkindadoption
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu den Voraussetzungen des Umgangsrechts eines Großelternteils mit seinem Enkelkind nach Wegfall der Verwandtschaftsbeziehung durch Stiefkindadoption der Mutter.
2. Ein vom EuGHMR nach Art. 41 EMRK zuerkanntes Schmerzensgeld ist gem. § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht für die Verfahrenskosten einzusetzen.
Normenkette
EMRK Art. 8, 41; GG Art. 6; BGB §§ 1626, 1685, 1755, 1770, 1772; ZPO §§ 114, 115 Abs. 2 S. 1; BSHG §§ 77, 85
Verfahrensgang
AG Rostock (Beschluss vom 26.02.2004; Aktenzeichen 13 F 374/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird dem Antragsteller unter Aufhebung des Beschlusses des AG Rostock - FamG - vom 26.2.2004 (13 F 374/03) für das Umgangsrechtsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Das Bestehen des begehrten Umgangsrechts kann nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Der Antragsteller ist auch bedürftig i.S.v. §§ 114 f. ZPO.
1. Dem Antragsteller steht zwar kein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 BGB zu, wohl aber möglicherweise ein solches nach § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB.
a) Ein Umgangsrecht gem. § 1685 Abs. 1 BGB steht dem Antragsteller nicht zu. Sollte ein solches jemals bestanden haben, so wäre es jedenfalls mit der am 7.10.1999 durch das AG Rostock - VormG - ausgesprochenen Adoption der Antragsgegnerin durch den Ehemann ihrer Mutter (Gz.: 81 XVI 7/99) erloschen. Zwar bleiben gem. § 1770 Abs. 1 S. 1 BGB bei einer Erwachsenenadoption generell die verwandtschaftlichen Verhältnisse zu den Verwandten des Anzunehmenden erhalten. Etwas anderes gilt aber, wenn das Gericht gem. § 1772 BGB ausspricht, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten. Dies ist in Nr. 4 des Adoptionsbeschlusses vom 7.10.1999 geschehen. Damit ist gem. § 1772 Abs. 1 i.V.m. § 1755 Abs. 2 BGB das Verwandtschaftverhältnis zwischen dem Antragsteller und seiner Enkeltochter - der Tochter der Antragsgegnerin - mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten - zu denen auch das Umgangsrecht gehört (Maurer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl. 2002, § 1755 Rz. 6) - erloschen.
b) Das Bestehen eines Umgangsrechts nach § 1626 Abs. 3 S. 2 BGB kann nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die genannte Vorschrift setzt voraus, dass zwischen dem Kind und der Umgang begehrenden Person Bindungen bestehen, deren Aufrechterhaltung für die Entwicklung des Kindes förderlich ist. Im Lichte des Art. 8 Abs. 1 EMRK und des Art. 6 Abs. 1 GG ist § 1626 Abs. 3 BGB dahin auszulegen, dass unter einer "Bindung" auch die leibliche Abstammung zu verstehen ist. Die Aufrechterhaltung dieser Bindungen ist für die Entwicklung des Kindes förderlich, wenn nicht außergewöhnliche Umstände dagegensprechen (EuGHMR v. 26.2.2004 - 74969/01 - Görgülü/Deutschland, FamRZ 2004, 1456 [1459] zu Nr. 48). Solche außergewöhnlichen Umstände sind im vorliegenden Fall aus der Akte nicht ersichtlich.
Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Parteien eine natürliche (biologische) Verwandtschaft. Die Aufnahme persönlicher Beziehungen zwischen ihnen hat die Antragsgegnerin aber verhindert; Kontakte zwischen dem Antragsteller und seiner Enkeltochter fanden nicht statt. Was die Antragsgegnerin bewogen hat, ihrer eigenen Tochter von vornherein jeglichen Kontakt mit ihrem leiblichen Großvater zu verwehren, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Dem Senat liegen auch keinerlei Informationen darüber vor, warum die Antragsgegnerin selbst seinerzeit jeglichen Kontakt mit dem Antragsteller ablehnte. Der Inhalt der Akte lässt nicht erkennen, dass die Rechte des Antragstellers und die wohlverstandenen Interessen seiner Enkeltochter angemessen geprüft und berücksichtigt wurden. Angesichts der Stärkung der Rechte des leiblichen Vaters durch die Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG, Urt. v. 9.4.2003 - 1 BvR 1493/96, NJW 2003, 2151) und des EGMR (EuGHMR v. 26.5. 1994 - 16/1993/411/490, FamRZ 1995, 110 = NJW 1995, 2153; v. 13.7.2000 - 25735/94, NJW 2001, 2315; v. 11.10.2001 - 31871/96 - Sommerfeld/Deutschland, FamRZ 2002, 381; v. 8.7.2003 - 31871/96 - Sommerfeld/Deutschland, FamRZ 2004, 337 = FPR 2004, 344; v. 26.2.2004 - 74969/01 - Görgülü/Deutschland, FamRZ 2004, 1456) kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es dem Wohle des Kindes entspricht, die Beziehungen zu seinen leiblichen Verwandten völlig abzuschneiden. Es geht ja nicht um die elterliche Sorge - die steht völlig unstreitig allein der Antragsgegnerin zu -, sondern nur darum, dass dem Kind der Kontakt zu seinem leiblichen Großvater erhalten bleibt. Nach dem Tode des Adoptivgroßvaters könnte die Beziehung zum leiblichen Großvater eine besondere Bedeutung erlangen. Die spätere Information des Kindes über seine leibliche Abs...