Leitsatz (amtlich)
1. Das Ablehnungsrecht (§ 42 ZPO) steht der Partei, nicht aber ihrem Prozessbevollmächtigen als solchem zu.
2. Bei anwaltlichen Ablehnungsgesuchen verbietet sich die Annahme, es liege zugleich die konkludente Erklärung vor, zur Glaubhaftmachung des Gesuchs werde auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen.
3. Ein Gesuch wegen Besorgnis der Befangenheit ist rechtsmissbräuchlich gestellt, wenn es nicht ernst gemeint ist und nur unter einem Vorwand angebracht wird, um einen nicht genehmen Richter im Wege der taktischen Manipulation auszuschalten.
4. Der Beschwerdewert in einem Verfahren auf Ablehnung eines Richters richtet sich nach dem Wert der Hauptsache.
Verfahrensgang
LG Stralsund (Beschluss vom 13.06.2007; Aktenzeichen 6 O 729/04) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 2.7.2007 gegen den sein Ablehnungsgesuch vom 11.5.2007 - betreffend den Richter am LG ... - verwerfenden Beschluss des LG Stralsund vom 13.6.2007 (Az.: 6 O 729/04) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Wert des Beschwerdeverfahrens: 53.089 EUR.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Herr Rechtsanwalt ..., erklärte mit Schriftsatz vom 11.5.2007:
"Im (vorliegenden, Ergänzung: hier) Rechtsstreit ... lehne ich (Hervorhebung: hier) im Hinblick auf den Verlauf und Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 9.5.2007 Herrn Richter ... wegen Befangenheit ab.
Die Begründung wird mit einem gesonderten Schriftsatz unverzüglich nachgereicht."
Die Klägerin nahm Stellung und wertete "das 'Ablehnungsgesuch' der Beklagten vom 11.5.2007 (als) nur eine weitere Spielart der versuchten Prozessverzögerung". Darauf, so die Klägerin weiter, komme es aber noch nicht einmal entscheidend an, "da das Ablehnungsgesuch eine unzulässige 'Leerformel' sei." Dazu führt die Klägerin an, gem. § 44 ZPO sei die Individualisierung des Ablehnungsgrundes "sogleich" geboten; die bloße Erklärung einer Partei, sie lehne den Richter ab und werde die Begründung nachbringen, stelle kein Ablehnungsgesuch dar (und verweist auf die Kommentarliteratur: "Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 44 Rz. 2 m.w.N."). Außerdem - so die Klägerin - fehle es an der erforderlichen Glaubhaftmachung (des Ablehnungsgrundes, Ergänzung: hier) nach "§ 33 Abs. 2 ZPO" (richtig: § 44 Abs. 2 ZPO). Eine dienstliche Äußerung über den Ablehnungsgrund sei deswegen nicht erforderlich, "das Ablehnungsgesuch kann ohne weiteres sofort verworfen werden".
Gleichwohl nahm der abgelehnte Richter (erstmals) unter dem 29.5.2007 Stellung und erklärte:
"Mir sind keine außergewöhnlichen Vorkommnisse aus der mündlichen Verhandlung vom 9.5.2007 erinnerlich, die der Ablehnung durch den Beklagtenvertreter (Hervorhebung: hier) zugrunde liegen könnten."
Unter dem 28.5.2007, eingegangen beim LG am 29.5.2007, gab der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wie folgt kund:
"1. Darf ich zunächst zur Begründung des Befangenheitsgesuches ausführen:
Der Verlauf der 'mündlichen' Verhandlung vom 9.5.2007 unter Berücksichtigung des vorangegangenen Verfahrens hat erhebliche Zweifel aufkommen lassen, ob dem Gericht an einer sachlichen und unparteiischen Durchführung des Rechtsstreits gelegen ist.
Aufgrund des Verhaltens in der mündlichen Verhandlung ist Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Gerichts gerechtfertigt.
In der mündlichen Verhandlung vom 9.5.2007 war es mir (Hervorhebung: hier) kein einziges Mal (Hervorhebung: Prozessbevollmächtigter der Beklagten) möglich ohne Unterbrechung durch den Klägervertreter auszureden. Meine höflich vorgtragene mehrfache Bitte (Hervorhebung: Prozessbevollmächtigter der Beklagten), dies zu unterbinden, wurde vom Gericht ignoriert. Auf meinen weiteren Einwand, man müsse sich ein derartiges Verhalten in der Gerichtsverhandlung nicht bieten lassen, entgegnete der Klägervertreter, 'doch', was das Gericht zu einem - nur als Zustimmung zu verstehendem - Grinsen veranlasste. Selbst auf meine Erläuterungen hin, wie dies auf die am Verfahren beteiligte Partei wirke, erfolgte lediglich der Verweis auf die Möglichkeit der Unterbrechung.
Ich möchte es nicht ausschließen, dass es sich bei den Äußerungen des Herrn Rechtsanwalt ..., welche im Rahmen der Verhandlung vom 9.5.2007 erfolgten, um Beleidigungen i.S.d. § 185 StGB handelte. Ein sachliches Verhandeln des Streitstoffes war unmöglich.
Ein derartiges Verhalten, wie es der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 9.5.2007 an den Tag legte, mag aus dessen Sicht vielleicht ein geeignetes Mittel sein, eine Verhandlung bewusst zu stören, zumal der Klägervertreter mit einem derartiges Gebaren auch schon Erfolge verbuchen konnte, ungeachtet dessen gehört so etwas nicht in einen Gerichtssaal, denn für die an dem Verfahren beteiligte Partei verblieb der Eindurck, als ob der Klägervertreter geradezu mit Freude und Spass die offensichtliche Verunsicherung des Gerichts nutzte, um seinen Provokationen freien Lauf zu lassen.
Es war in keiner Weise geboten, hier mit dem Argument des Abkü...