Leitsatz (amtlich)

Ob eine Leistung unentgeltlich ist, entscheidet sich nach dem objektiven Vergleich der ausgetauschten Werte. Der Begriff der Unentgeltlichkeit ist zum Schutz der Gläubiger weit auszulegen. Eine Handhabung zur Tragung der Kosten der gemeinsamen Haushalts- und Lebensführung zwischen dem Schuldner und seiner Lebensgefährtin bildet keinen synallagmatischen Leistungsaustausch. Eine solche Vereinbarung beruht jedoch auf dem Konsens beider, die Kosten der Lebensführung gemeinsam zu bestreiten. Leistungen im Rahmen dieser gemeinschaftlichen Lebensführung sind daher bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht unentgeltlich.

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Urteil vom 03.08.2006; Aktenzeichen 4 O 127/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Schwerin vom 3.8.2006 (Az.: 4 O 127/06) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gegenstandswert der Berufung: 7.540 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger wurde am 29.12.2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des B. S. (nachfolgend Schuldner) bestellt (AG Schwerin 581 IN 565/03). Die Beklagte ist dessen Lebensgefährtin.

Der Schuldner, der als E. E. S. firmiert hatte, leaste bei der V. L. GmbH einen Pkw VW Golf, den er der Beklagten zur Nutzung überließ. Die Leasingraten zahlte er. Diese Zahlungen sind Gegenstand der Insolvenzanfechtung, wobei nach teilweisem Anerkenntnis der Beklagten nur noch die Zahlungen für Juli 2002 bis Juli 2003 (13 Monate à 580 EUR) im Streit sind. Die Beklagte wendet ein, dass sie außer den Leasingraten sämtliche weiteren Kosten des Fahrzeuges sowie im Rahmen der gemeinsamen Lebensführung die Miete für die gemeinsame Wohnung getragen habe. Das LG verurteilte sie entsprechend ihrem Anerkenntnis und wies die Klage hinsichtlich der Zahlungen von Juli 2002 bis Juli 2003 ab.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Zu deren Begründung trägt er vor, dass das LG es unterlassen habe, ihn auf seine Bedenken gegen die Anfechtung gem. § 133 Abs. 2 InsO hinzuweisen. Dies hole er, der Kläger, nunmehr nach. Zur geschäftlichen Entwicklung des Schuldners trägt er vor, dass dieser im Kalenderjahr 2002 einen Verlust von 151.436,40 EUR erwirtschaftet habe. Bereits Mitte 2002 habe er erkannt, dass die andauernden Verluste die Zahlungsunfähigkeit nach sich ziehen würden. Da er Lieferantenverbindlichkeiten nicht mehr habe befriedigen können, habe er am 5.9.2002 ein Konsolidierungsdarlehen beim Landesförderamt M.-V. beantragt. In der Stellungnahme der Kreissparkasse L. hierzu vom 26.9.2002 heiße es, dass eine Insolvenz des Schuldners zu einem vollständigen Verlust der Arbeitsplätze und damit auch zu einem Totalausfall der Subventionen führe. Im weiteren Verlauf habe der Schuldner aufgrund Vertrages vom 23./24.1.2003 ein Konsolidierungsdarlehen über 200.000 EUR erhalten. Gleichwohl sei er im Februar und März 2003 nicht in der Lage gewesen, seine Verbindlichkeiten abzutragen. Die Nutzungsüberlassung des Fahrzeuges an die Beklagte bei Zahlung der Leasingraten durch den Schuldner sei eine Rechtshandlung i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO. Diese habe die Gläubiger des Schuldners benachteiligt und die Beklagte habe auch Kenntnis von dem entsprechendem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt. Die Übernahme der Leasingraten sei im Verhältnis zwischen Schuldner und Beklagte ein inkongruentes Geschäft, was auf Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners hindeute.

Auch der Tatbestand des § 133 Abs. 2 InsO sei gegeben, denn für die Annahme eines entgeltlichen Vertrages genüge ein auf wechselseitiger Willensübereinstimmung beruhendes Zusammenwirken von Schuldner und Anfechtungsgegner. Insofern räume die Beklagte mit der von ihr behaupteten Vereinbarung zur gemeinsamen Lebensführung selbst ein entgeltliches Geschäft ein. Dieses habe die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, weil der Schuldner mit Zahlung der monatlichen Leasingraten aus seinem Vermögen die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verschlechtert habe. Aufgrund der bei nahestehenden Personen zu erwartenden Kenntnis von den finanziellen Problemen des Schuldners enthalte § 133 Abs. 2 InsO die Vermutung für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die dahingehende Kenntnis der nahestehenden Person. Er, der Kläger, müsse nur den Vertrag mit der nahestehenden Person und die Gläubigerbenachteiligung beweisen. Der Beklagten obliege es, ihre fehlende Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nachzuweisen.

Der Kläger tritt auch für die Anwendung des § 134 InsO ein. Die Zahlung der Leasingraten sei eine unentgeltliche Leistung des Schuldners an die Beklagte, weil er einen Vermögenswert zu deren Gunsten aufgegeben habe, ohne dass ihm ein entsprechender Gegenwert zugeflossen sei. Die von der Beklagten behaupteten Zahlung der Miete und die Übernahme anderer Lebenshaltungskosten stünden nicht im Gegenseitigsverhältnis zur Gebrauchsüberlassung. Ihre Behauptung, sie und der Schuldner hätten sich dahingehend geeinig...

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