Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der Eltern für das Verhalten von Kindern; Tierhalterhaftung
Leitsatz (amtlich)
1. Eltern haften grundsätzlich nicht für das schädigende Verhalten ihrer Kinder, eine Ausnahme gilt bei einer Aufsichtspflichtverletzung gem. § 832 BGB. Eine 17-jährige Jugendliche bedarf bei der Führung eines Dalmatiners keiner Aufsicht durch ihre Eltern.
Ein möglicherweise fahrlässiges Verhalten der Minderjährigen müssen sich die Eltern als Tierhalter im Rahmen des § 833 BGB nicht anrechnen lassen.
2. Läuft ein Dalmatiner in einer Koppel auf ein dort herumlaufendes Pferd zu und gerät dieses dadurch in Panik, so dass es sich bei dem Sprung über den Zaun verletzt, so haftet der Hundehalter dem Pferdehalter gem. § 833 BGB i.H.v 50 % des Schadens. Gemäß § 254 Abs. 1 BGB muss auch die Tiergefahr des Pferdes berücksichtigt werden. Der Grundsatz, dass die auf Seiten des Geschädigten mitwirkende Sach- und Betriebsgefahr den Ersatzanspruch beschränkt, gilt auch für die Tierhalterhaftung. Die Tiergefahr des Pferdes wiegt mindestens gleich hoch wie die des Hundes. Zwar ist ein Pferd - anders als ein Hund - kein Jagdtier, das andere Tiere angreift oder hetzt. Eine Gefahr ergibt sich aber auch bei Pferden aus der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens.
Normenkette
BGB § 254 Abs. 1, §§ 823, 833
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 04.03.2010; Aktenzeichen 12 O 21/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4.3.2010 verkündete Urteil des LG Neubrandenburg teilweise - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - geändert und neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 15.000 EUR nebst Zinsen i.H.v 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.5.2005 sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v 899,25 EUR nebst Zinsen i.H.v 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.4.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz werden dem Kläger auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 18.516,38 EUR.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch aus Tierhalterhaftung gegen die Beklagten als Hundehalter des Dalmatiners "xxx" geltend. Am 7.8.2005 geriet das Pferd des Klägers "xxx" auf einer Koppel des Hotels "xxx" in xxx in Panik, stürmte nach vorn und brach sich beim Versuch, den Koppelzaun zu überspringen, ein Bein. Es musste noch vor Ort eingeschläfert werden. Die gesamte Anlage, bestehend aus Hotel und Reitanlage wird von einer Gesellschaft betrieben, deren alleiniger Geschäftsführer der Kläger ist.
Der Kläger hat vorgetragen, der Hund der Beklagten sei in der Koppel auf sein Pferd zugelaufen, so dass dieses in Panik geraten und vor dem Hund davongelaufen sei. Das Pferd habe einen Wert von 220.000 EUR gehabt
Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem die Einzelrichterin der Klage nach umfangreicher Beweiserhebung zum Tathergang und zur Schadenshöhe zum Teil, i.H.v 32.525 EUR sowie wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v 1.481,44 EUR stattgegeben hat. Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Beklagten, mit der sie sich insoweit gegen ihre Verurteilung wenden, als sie verurteilt wurden, mehr als 14.008,62 EUR an Schadensersatz nebst Zinsen und mehr als 449,96 EUR an vorgerichtlichen Kosten nebst Zinsen zu zahlen. Der Kläger nimmt die teilweise Abweisung der Klage hin.
Zur Begründung tragen die Beklagten vor, das LG sei zutreffend von der Aktiv- bzw. Passivlegitimation der Prozessbeteiligten ausgegangen. Auch habe es richtig die Feststellungen des Sachverständigen Bartsch zugrunde gelegt, wonach die Stute "xxx" am 7.8.2005 einen Wert von 30.000 bis 35.000 EUR brutto aufgewiesen habe. Unzutreffend habe das LG allerdings zugrunde gelegt, dass der Hund "xxx", nachdem die Zeugen xxx und xxx mit ihm die beiden Pferde "xxx" und "xxx" auf die Koppel gebracht hätten, sodann plötzlich unter dem Zaun hindurch auf die Koppel auf die beiden dort grasenden Pferde zugelaufen sei, diese infolge dessen in Panik geraten und vor dem Hund davongelaufen seien. Die Beklagten hafteten nicht vollständig für den entstandenen Schaden, sondern nur i.H.v 50 %, wobei die Mehrwertsteuer aus dem Betrag herauszurechnen sei. Die vorgerichtlichen Kosten könnten allenfalls nach dem Umfang der Schadensersatzverpflichtung bemessen werden.
Das Gericht habe unzutreffend die Aussagen der Zeugen xxx und und xxx zugrunde gelegt. Die Beweiserhebung hätte nach dem Richterwechsel wiederholt werden müssen. Es sei zu beanstanden, dass die für die Entscheidung maßgebliche Einzelrichterin, ohne an der Beweiserhebung teilgenommen zu haben, Bewertungen von Zeugenaussagen vorgenommen habe. Die Richterin habe die Beweiswürdigung darauf gestützt, dass die Zeugin xxx aufgrund der direkten Beteiligung an dem Geschehen emotional stark involviert gewes...