Entscheidungsstichwort (Thema)

Wasser vom Oberliegergrundstück

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich gegen Einwirkungen hierauf - auch durch wild abfließendes Niederschlagswasser, die von einem Nachbargrundstück ausgehen und sein Eigentum beeinträchtigen - grundsätzlich mit dem auf Unterlassung gerichteten Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Wehr setzen.

Der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers darf nicht zum Nachteil eines tiefer liegenden Grundstücks verstärkt oder verändert werden.

2. Der Abwehranspruch setzt voraus, dass der Beklagte für die Beeinträchtigung als Störer verantwortlich ist. Dazu reicht nach der Rechtsprechung des BGH der bloße Umstand des Eigentums an demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht aus. Die Beeinträchtigung muss vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen.

3. Im Falle eines zeitlich lang zurückliegenden Eingriffs in die natürlichen Verhältnisse kann der daraus folgende Zustand selbst im Rechtssinne zum natürlichen Zustand werden, wenn dieser Eingriff mit Zustimmung des Betroffenen erfolgt ist oder er ihn für einen längeren Zeitraum unwidersprochen hingenommen hat.

4. Für den Schutz seines Grundstücks vor wild abfließendem Wasser, zu dem auch Niederschlagswasser gehört, ist der Eigentümer selbst und nicht der Nachbar verantwortlich.

 

Normenkette

BGB § 1004 Abs. 1 S. 2; WasG MV § 80 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Urteil vom 15.05.2019; Aktenzeichen 3 O 234/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 15.05.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 95.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger sind Eigentümer des in G. S., D. 7 und 8, belegenen Grundstücks, Gemarkung G. S., Flur 1, Flurstücke 329 und 330. Sie verlangen von der Beklagten als Eigentümerin des höher liegenden Nachbargrundstückes - gelegen in der Gemarkung G. S., Flur 1, Flurstück 331/4, dass sie die erforderlichen Maßnahmen treffe, damit das von ihrem Grundstück abfließende Oberflächenwasser nicht ihr Grundstück beeinträchtigt. Darüber hinaus begehren die Kläger von der Beklagten Schadensersatz für Schäden am Doppelhaus durch die Einwirkung von Wasser, welches vom Grundstück der Beklagten auf das klägerische Grundstück gelangt.

Die klägerischen Grundstücke sind mit einem Doppelhaus und Nebengebäuden bebaut. Eine Hälfte befindet sich in einem baulich schlechten Zustand und hat eine Fläche von 100 qm. Die andere Hälfte ist von den Klägern saniert worden und soll wegen eines Ausbaus eine Wohnfläche von 180 qm haben.

Das Beklagtengrundstück ist mit Landpachtvertrag vom 03./06.07.2009 an die FA M. und P. G. S. eG verpachtet. Die Pächterin hatte mit Unterpachtvertrag vom 12.06.2011, der bis zum 01.11.2016 bestand, das Grundstück der Beklagten an die Kläger unterverpachtet.

Die Kläger haben ihr Grundstück im September 2017 verlassen. Das Haus ist nicht vermietet und auch sonst nicht bewohnt. Zwischenzeitlich ist das Haus versteigert worden.

Die Kläger haben behauptet Anfang 2012 sei das Wasser in einem Teich auf dem Beklagtengrundstück, welcher nach den Feststellungen des Sachverständigen B. im selbstständigen Beweisverfahren - 3 OH 12/12 - vor dem Landgericht Schwerin eine Senke ist, übergelaufen und auf ihr Grundstück gelaufen. Es habe ihr Grundstück aufgeschwemmt. Ursache sei, dass das Rohr, welches die Senke entwässere mindestens zur Hälfte zugesetzt sei.

Die Kläger haben ihren Schaden in der Gestalt berechnet, dass sie eine Fläche von 100 qm zugrunde gelegt haben. Hierfür seien 1.000,00 EUR je qm für die Schadensbeseitigung anzusetzen, was sich aus dem Gutachten des Sachverständigen B. vom 08.11.2012 im selbstständigen Beweisverfahren ergebe. Hiervon ließen sie sich 15.000,00 EUR als Sowiesokosten abziehen. Dies ergebe die geltend gemachten 85.000,00 EUR. Dies ergebe sich bereits für die leerstehende Haushälfte. Es sei erstrecht gerechtfertigt, da sich auch in der sanierten Hälfte Schäden gezeigt hätten. Das Wasser sei unter das Fundament gelaufen und habe das Haus aufgetrieben. Dadurch sei es auch in der sanierten Haushälfte zu Rissen gekommen. Die Dusche sei völlig verzogen und die Fliesen würden hohl liegen.

Die Beklagte hat behauptet, dass jedenfalls zwanzig Jahre vor diesem Ereignis es derartige Erscheinungen nicht gegeben habe. Sie habe weder die Senke geschaffen, diese sei naturgegeben, noch habe sie das Abflussrohr oder Zuflussrohre zur Senke verlegt. Sie habe von diesen Rohren bis 2012 auch nichts gewusst.

Das Landgericht hat Beweis durch Einholung von Gutachten des Sachverständigen S. erhoben und die gutachterlic...

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