Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 02.08.2002; Aktenzeichen 4 O 128/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.8.2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Rostock - Az.: 4 O 128/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die - zulässige - Berufung ist nicht begründet. Der beklagten Stadt fällt eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht zur Last (1.), die für den Unfall der Zeugin O. auch mitursächlich geworden ist (2.). Das Mitverschulden der Versicherungsnehmerin O. ist mit einer Quote von 50 % angemessen berücksichtigt (3.).
1. Zu Recht hat das LG eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der beklagten Stadt angenommen.
a) Dabei gilt auch für Radfahrer, dass sie sich wie jeder Straßenbenutzer den gegebenen Verhältnissen anpassen und den Radweg grundsätzlich so hinnehmen müssen, wie dieser sich ihnen erkennbar darbietet. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss der Verkehrssicherungspflichtige nach der Rechtsprechung des BGH, welcher der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Vielmehr hat er nur diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die nach den Sicherheitserwartungen der jeweiligen Verkehrsteilnehmer dem Verkehrssicherungspflichtigen einerseits wirtschaftlich zumutbar und andererseits geeignet sind, solche Gefahren abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder nicht ganz fernliegendem bestimmungswidrigem Gebrauch des Verkehrsweges drohen und die der Benutzer bei Beobachtung der ihm abzuverlangenden eigenen Sorgfalt selbst nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann (BGH NJW 1970, 1126; NJW 1978, 1629, v. 11.12.1984 - VI ZR 218/83, MDR 1985, 833 = NJW 1985, 1076; VersR 1975, 812; VersR 1979, 1055). Gefahren, die ein sorgfältiger Benutzer bereits mit einem beiläufigen Blick selbst erfassen kann, erfordern mithin keine besonderen Maßnahmen; vor ihnen muss insb. auch nicht gewarnt werden (BGH VersR 1979, 262).
b) Andererseits ist dann, wenn - wie hier - eine Gefahrenstelle nicht durch Naturereignisse oder Eingriffe Dritter entstanden ist, sondern vom Verkehrssicherungspflichtigen selbst geschaffen wurde, an die Sicherungspflicht ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Diese impliziert die grundsätzliche Verpflichtung, keine verkehrsgefährdenden Hindernisse zu errichten. Da jedes auf einem Weg befindliche Hindernis eine Gefahrenquelle darstellt, sind Wege und Radwege von Hindernissen möglichst frei zu halten (OLG Hamm v. 14.5.1996 - 9 U 218/95, OLGReport Hamm 1996, 147 = VersR 1997, 892; v. 9.11.2001 - 9 U 252/98, OLGReport Hamm 2002, 45 = MDR 2002, 643, bei einem ähnlichen Sachverhalt). Läßt sich das Errichten eines derartigen Hindernisses auf einem Geh- oder Radweg nicht vermeiden oder ist es im Einzelfall sogar aus verkehrstechnischen Gründen - wie hier - geboten, dann muss das Hindernis für den Benutzer rechtzeitig erkennbar sein, weil er gewöhnlich nicht mit einem derartigen Hindernis rechnen muss.
c) Von diesen Grundsätzen, die für Hoheitsträger und nach zivilrechtlichen Vorschriften Verkehrssicherungspflichtige in gleicher Weise gelten, ist das LG zutreffend ausgegangen. Danach hat die beklagte Stadt die ihr nach §§ 10, 14 StrWG-MV obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
aa) Zwar durfte sie auf dem Radweg zwischen den Ortsteilen H. D. und M. derartige Metallpfähle aufstellen. Dabei handelt es sich nicht um ein Verkehrshindernis i.S.v. § 32 StVO, sondern um eine zulässige Verkehrseinrichtung i.S.v. § 43 Abs. 1 StVO. Zu letzteren zählen ausdrücklich Sperrpfosten der hier verwendeten Art. Sie sollen - wie ersichtlich auch im vorliegenden Fall - verhindern, dass Kraftfahrzeuge den Radweg befahren oder auf ihm parken und damit den Verkehrsfluss auf dem Radweg behindern oder sogar Radfahrer gefährden.
bb) Hiervon unberührt bleibt aber die Verpflichtung, solche Sperrpfähle derart zu gestalten, dass sie von einem in der gebotenen Weise sorgfältigen Radfahrer auch rechtzeitig wahrzunehmen sind, so dass er ihnen ausweichen kann. Hieraus folgt, dass sie zum einen farblich derart gestaltet sein müssen, dass sie sich vom Belag des Radweges absetzen und bei Tageslicht hinreichend deutlich sichtbar sind (so der Senat in dem vom LG zitierten Urt.: OLG Rostock, Urt. v. 2.5.2002 - 1 U 258/99, dort S. 4, m.w.N.). Wird der Radweg nicht durch Straßenlaternen oder andere Lichtquellen ausgeleuchtet, müssen zudem eine bei Dunkelheit reflektierende Farbe aufgetragen oder Reflektoren (sog. Katzenaugen) angebracht werden, so dass die Sperrpfähle auch unter derartigen Sichtverhältnissen erkennbar bleiben (so auch OLG Hamm v. 9.11.2001 - 9 U 252/98, OLGReport Hamm 2002, 45 = MDR 2002, 643). Nur dadurch kann einer Gefährdung von Radfahrern, die den Radweg zulässig bei Dunkelheit oder...