Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob das Aufstellen eines Sperrpfostens in der Mitte eines Radweges, das nicht in jeder Hinsicht nach den Vorgaben der ERA 2010 entspricht, für den Unfall eines gegen den Sperrpfosten fahrenden Radfahrers ursächlich ist und zur Bewertung eines groben Mitverschuldens des Radfahrers.
Normenkette
BGB §§ 253, 839, 249; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a, 47
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 2 O 460/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Mai 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleitung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht aufgrund seines Fahrradunfalls am 00.06.2017 gegen 20.30 Uhr auf dem X-Radweg im Bereich Q kein Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Kreis gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 StrWG NW als der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu.
Es erscheint bereits sehr fraglich, ob dem beklagten Kreis bei der seinerzeit bestehenden Gestaltung des Radweges eine Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht zur Last fällt (dazu 1.). Jedenfalls lässt sich aber nicht feststellen, dass die Gestaltung des Radweges ursächlich für den Sturz des Klägers geworden ist (dazu 2.). Zudem scheitert ein etwaiger Anspruch des Klägers daran, dass ihn ein weit überwiegendes und daher anspruchsausschließendes Mitverschulden i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB trifft (dazu 3.).
1. Es erscheint sehr fraglich, ob der beklagte Kreis bei der Gestaltung des Radweges überhaupt eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte.
a) Ein Pflichtenverstoß steht zunächst nicht schon dadurch fest oder wird zumindest indiziert, weil der Beklagte seit dem Unfall des Klägers inzwischen zweimal Veränderungen im Bereich des Sperrpfostens vorgenommen hat. In diesem Verhalten liegt weder ein Eingeständnis einer vorangegangenen Pflichtverletzung noch gar die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs. Vielmehr muss es jedem Sicherungspflichtigen freistehen, auch über das haftungsrechtlich Notwendige hinaus die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer zu verbessern.
b) Der beklagte Kreis hatte bei der Gestaltung des Radweges die nachfolgenden Grundsätze zu beachten:
Gemäß §§ 9, 9a, 47 StrWG NW bestand für ihn die hoheitlich ausgestaltete Verpflichtung, die von ihm unterhaltenen Verkehrsflächen von abhilfebedürftigen Gefahrenquellen freizuhalten. Er hatte daher im Rahmen des ihm Zumutbaren nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer auf den in seinen Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen nicht zu Schaden kommen. Allerdings muss der Sicherungspflichtige nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflichten danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben die Wegebenutzer die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten, und mit typischen Gefahrenquellen zu rechnen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung anderer ergibt. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer bei Beachtung der zu erwartenden Eigensorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von den Benutzern hinzunehmenden Erschwernissen wird dabei maßgeblich durch die sich im Rahmen des vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt, wobei dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche und ihrer Verkehrsbedeutung maßgebliche Bedeutung beikommt. Dabei ist an die Sicherungspflicht ein strenger Maßstab anzulegen, wenn eine Gefahrenstelle, wie hier der auf dem Radweg stehende Sperrpfosten, nicht durch Naturereignisse oder Eingriffe Dritter entstanden ist, sondern vom Verkehrssicherungspflichtigen selbst geschaffen worden ist.
c) Bei Anwendung dieser Grundsätze spricht viel für die Annahme, dass der Beklagte diesen Anforderungen genügt hat.
So hat er durch das Aufstellen des Sperrpfostens nicht in unzulässiger Weise und unter Verstoß gegen die Bestimmung des § 32 StVO ein Verkehrshindernis geschaffen. Zwar werden Sp...