Leitsatz (amtlich)

1. Der Streit um die Frage der Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO ist durch - hier anfechtbares - Zwischenurteil zu entscheiden.

2. Hat das erstinstanzliche Gericht gleichwohl durch Beschluss entschieden, ist hiergegen nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung neben dem Rechtsmittel der Berufung auch jenes der sofortigen Beschwerde gegeben. Wird eine solche eingelegt, ist sie vom Rechtsmittelgericht als Berufung anzusehen und durchzuführen, um den Formfehler des Erstgerichts nicht zu perpetuieren.

 

Normenkette

ZPO §§ 240, 303

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Beschluss vom 26.04.2012; Aktenzeichen 6 O 291/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beschluss des LG Stralsund vom 26.4.2012 - 6 O 291/11, in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.7.2012 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten nicht unterbrochen ist.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Herausgabe einer vollstreckbaren Ausfertigung einer Grundschuldurkunde und behauptet, die - an einem im Eigentum der Tochter des Beklagten stehenden Grundstück zu dessen Gunsten bestellte und nach § 800 ZPO vollstreckbare - Briefgrundschuld im Nennbetrag von 125.000 EUR sei ihr von dem Beklagten im März 2010 zur Besicherung eines diesem gewährten Darlehens über 40.000 EUR abgetreten worden. Nachdem das Darlehen notleidend geworden sei, habe sie die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der am 15.5.2008 von der Notarin B. R. in W. zu deren UR-Nr ... errichteten Urkunde beantragt, was ihr verweigert worden sei, weil bereits im Mai 2008 eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde an den Beklagten übergeben worden sei. In der Folgezeit habe der Beklagte die Herausgabe dieser Ausfertigung verweigert.

Die Klägerin hat daraufhin Herausgabeklage erhoben, mit der sie daneben die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangt. Nach deren am 17.11.2001 erfolgten Zustellung ist am 23.11.2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten, der gleichwohl Klagabweisung beantragt hat, eröffnet worden. In der Folgezeit stritten die Parteien über die Frage, ob das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft und deshalb, wie der Beklagte meint, gem. § 240 ZPO unterbrochen ist.

Mit Beschluss vom 26.4.2012 hat das LG die Parteien nach § 139 ZPO darauf hingewiesen, "dass das Verfahren (...) gem. § 240 ZPO unterbrochen sein (dürfte)", weil sein Gegenstand ein Vermögenswert sei, der zur Insolvenzmasse gehören könne. Die Abtretung sei möglicherweise nach §§ 129 ff. InsO anfechtbar, ein Verzicht des Insolvenzverwalters auf sein Anfechtungsrecht liege noch nicht vor.

Gegen diese ihr am 1.6.2012 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4.6.2012, beim LG als Telefax eingegangen am selben Tag, "Rechtsmittel" eingelegt und zur Begründung ausgeführt, für ein Anfechtungsrecht sei kein Raum. Die Darlehensforderung der Klägerin sei zwischenzeitlich in voller Höhe zur Insolvenzstabelle festgestellt. Im Übrigen handele es sich vorliegend um einen Rechtsstreit über eine unvertretbare Handlung des Beklagten i.S.d. § 888 ZPO, der die Insolvenzmasse nicht betreffe.

Das LG hat das Rechtsmittel als Beschwerde ausgelegt und dieser mit - der Klägerin nur formlos übersandten - Beschluss vom 26.7.2012 unter Bezugnahme auf die bisherige Begründung nicht abgeholfen. Die Akten sind am 16.8.2012 bei dem OLG eingegangen. Nach entsprechendem Hinweisbeschluss des Einzelrichters vom 7.9.2012 - 1 W 44/12 -, auf den Bezug genommen wird und dem die Parteien nicht entgegen getreten sind, hat der Senat mit weiterem Einzelrichterbeschluss vom 22.10.2012 das Verfahren vom Beschwerde- in das Berufungsverfahren übergeleitet.

Die Klägerin begehrt weiterhin die Feststellung, dass das Verfahren nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen ist. Außerdem beantragt sie die Verurteilung des Beklagten im Umfang ihrer erstinstanzlich gestellten Anträge für den Fall, dass der Senat die Sache insgesamt für entscheidungsreif erachtet. Der Beklagte verlangt dagegen die Zurückweisung der Berufung.

II. Die Entscheidung des LG ist sowohl formell wie auch inhaltlich fehlerhaft. Über die Frage, ob das Verfahren gem. § 240 ZPO unterbrochen ist, hätte richtigerweise durch - hier anfechtbares - Zwischenurteil entschieden werden müssen (1.). Das Rechtsmittel der Klägerin war daher als Berufung zu behandeln und durchzuführen, was mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO geschehen konnte (2.). Das Rechtsmittel ist dabei auch in der Sache begründet (3.), eine Entscheidung in der Sache selbst konnte allerdings nicht ergehen (4.).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, von der Abzuweichen kein Anlass besteht, ist der Streit um die Frage der Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) zu entscheiden (BGH, Zwisch...

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