Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Berufung; Auslegung eines Abfindungsvergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufung ist insgesamt zulässig, wenn die lediglich zu einem den einheitlichen Streitgegenstand betreffenden Einzelpunkt vorgetragene Begründung den formalen Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügt. Bei einem einheitlichen Streitgegenstand kann es genügen, wenn die Berufung in einer den ganzen Streitgegenstand umfassenden Rüge zureichend begründet worden ist, z.B. mit der Erhebung der Verjährungseinrede. Der Berufungskläger muss nicht zu allen ihm nachteilig beurteilten Streitpunkten in der Berufungsbegründung im Einzelnen Stellung nehmen.

2. Mit einem Abfindungsvergleich, in dem eindeutig die Einstellung des Kfz-Haftpflichtversicherers zum Ausdruck kommt, dass die Schadensregulierung endgültig abgeschlossen ist, endet die Hemmung der Verjährung gem. § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVersG a.F. auch für die in diesem Vergleich vorbehaltenen Ansprüche auf Ersatz erst in Zukunft möglicher materieller Schäden, soweit diese von der Anspruchsanmeldung umfasst sind.

 

Normenkette

ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2; PflVG § 3 Nr. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Urteil vom 02.11.2009; Aktenzeichen 9 O 231/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2.11.2009 verkündete Urteil des LG Rostock, Az: 9 O 231/09, geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 10.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die beklagte Haftpflichtversicherung Schadensersatz i.H.v. 239,48 EUR sowie zwei Feststellungsanträge aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 12.9.1995 geltend. Für die Schäden des Klägers aus diesem Unfall war die Beklagte unstreitig ersatzpflichtig. Nach längeren Verhandlungen schlossen die Parteien den Vergleich vom 15.12.1999, um dessen Auslegung es hier geht. Dieser hat folgenden Wortlaut:

"1. Gegen die Zahlung von 195.000 DM sind sämtliche Ansprüche des Herrn S. aus dem Unfallereignis vom 12.9.1995 am xxx in xxx abgegolten, soweit unter den nachfolgenden Ziffern nichts anderes geregelt ist.

2. Ein Verdienstausfallschaden wird zukünftig nur gezahlt werden, wenn er sich aus einer unfallbedingten Erhöhung der berufsspezifischen MdE über 25 % ergibt.

3. Vorbehalten bleiben ferner sämtliche zukünftig entstehende unfallbedingte materielle und immaterielle Schäden, soweit hieraus resultierende Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind."

Der Kläger forderte mit Schreiben vom 27.1.2009 von der Beklagten Ersatz der Kosten einer zahnärztlichen Behandlung aus dem Jahre 2008. Die Beklagte lehnte die Erstattung des Betrages ab und berief sich auf Verjährung. Dies nahm der Kläger zum Anlass, die vorliegende Zahlungsklage mit den beiden Feststellungsanträgen zu erheben.

Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem das LG der Klage stattgab. Zur Begründung führte das LG an, der Leistungsantrag sei begründet und nicht verjährt, ebenso wie der Feststellungsantrag zu 2). Die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger den aufgrund des Unfallereignisses vom 12.9.1995 zukünftig entstehenden Verdienstausfallschaden, soweit dieser sich aus einer unfallbedingten Erhöhung der berufsspezifischen MdE von über 25 % ergebe, zu ersetzen. Der Verjährungsbeginn setzte einen fälligen Anspruch voraus, der nicht gegeben sei. Im Übrigen gelte dieselbe rechtliche Begründung, die für den Leistungsantrag durchgreife. Der Feststellungsantrag im Hinblick auf die Haftung der Beklagten für sämtliche aufgrund des Unfallereignisses vom 12.9.1995 zukünftig entstehenden weiteren unfallbedingten materiellen Schäden sei ebenfalls begründet. Der Antrag decke sich mit dem in Ziff. 3) des Vergleiches vorbehaltenen Leistungsanspruch. Da der im Leistungsantrag zu 1) geltend gemachte Schaden ebenfalls ein materieller Zukunftsschaden sei, könne vollumfänglich auf die dortige Begründung verwiesen werden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit der sie Abweisung der Klage erstrebt. Zur Begründung trägt sie vor: Die klägerischen Ansprüche seien verjährt, denn die Verjährung aller Schadensersatzansprüche habe einheitlich gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Vergleichsabschluss am 15.12.1999 neu zu laufen begonnen. Daraus ergebe sich, dass die 3-jährige Verjährungsfrist gem. §§ 14 StVG, 852 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 EGBGB spätestens zum 1.1.2005 abgelaufen sei. Die Ansprüche des Klägers seien nicht nur teilweise reguliert worden. Mit Abschluss des Vergleichs vom 15.12.1999 sei eine Entscheidung der Beklagten i.S.d. § 3 Nr. 3 S. 3 PflVersG a.F. gegeben. Eine weitere förmliche Entscheidung der Beklagten zur Herbeiführung des Endes der Verjährungshemmung sei aufgrund des geschlossenen Vergleiches nach der Rechtsprechung des BGH nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffe...

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