Leitsatz (amtlich)
Eine Pachtzinsanpassungsklausel, nach der jeder Vertragspartner "nach jeweils zwei Pachtjahren" eine Pachtzinsanpassung verlangen kann, ist unter Berücksichtigung einer vorrangigen Interessenlage der Parteien an einer (rechts-)wirksamen Vereinbarung in Übereinstimmung mit den in § 593 BGB normierten Anforderungen dahingehend auszulegen, dass "nach frühestens zwei Jahren" ein Anpassungsbegehren geltend gemacht werden kann.
Normenkette
BGB § 593
Verfahrensgang
AG Schwerin (Urteil vom 03.09.2021; Aktenzeichen 19 XV 5/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerin vom 03.09.2021, Az. 19 XV 5/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Schwerin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 7.000,00 EUR festgesetzt.
Der erstinstanzliche Streitwert wird geändert und ebenfalls auf bis zu 7.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verpachtete der Beklagten mit Vertrag vom 10.02.1999 landwirtschaftliche Nutzflächen in der Gemarkung xxx im Umfang von ca. 54 ha. Der Vertrag weist eine Laufzeit von 24 Jahren aus sowie einen jährlichen Pachtzins von 8.497,00 DM (= 4.344,45 EUR).
§ 3 Abs. 3 des Pachtvertrages enthält folgende hier relevante Regelung:
"Jeder Vertragspartner kann nach jeweils 3 Pachtjahren verlangen, dass der Pachtpreis entsprechend der Veränderung des ortsüblichen Pachtpreises angepasst wird, wenn diese Veränderung mehr als 10 % beträgt. Das Verlangen muss im letzten Monat des jeweils 3. Pachtjahres gestellt werden."
In einem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit - 19 Lw 3/05 AG Schwerin - um die Herausgabe der Pachtflächen wurde in der Berufungsinstanz - 12 U 15/05 OLG Rostock - am 27.06.2007 ein Vergleich geschlossen, in dessen Ziff. 2 die eingangs erwähnte Regelung aus § 3 des Landpachtvertrages wie folgt geändert und neu gefasst wurde:
"Jeder Vertragspartner kann nach jeweils 2 Pachtjahren verlangen, dass der Pachtzins entsprechend der Veränderung des von der BVVG geforderten Pachtzinses je Bodenpunkt und Hektar im Landkreis Parchim angepasst wird, wenn diese Veränderung mehr als 10 % beträgt.
Das Verlangen muss im letzten Monat des jeweiligen Pachtjahres, beginnend ab 2009 geltend gemacht werden."
In einem weiteren zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit bezüglich der Pachtflächen - 19 XV 7/11 AG Schwerin - schlossen die Parteien in der Berufungsinstanz - 14 U 6/12 OLG Rostock - am 20.02.2013 auf Vorschlag des Gerichts einen weiteren Vergleich, in dem es u.a. wie folgt heißt:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Pachtzinshöhe ab 01.10.2011 7.500,00 EUR jährlich betragen soll.
2. (...)
3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass bei künftigen Erhöhungen, frühestens also ab 01.10.2014, Pachtzinsfälligkeit 30.09.2015, im Sinne der von ihnen vereinbarte Pachtzinserhöhungsklausel gemeint ist: von der BVVG geforderte Pachtzins für Ackerland je Bodenpunkt und ha im ehemaligen Landkreis Parchim. Die Parteien sind sich auch darüber einig, dass die Veränderung prozentual im Sinne gemeint ist, dass ein Vergleich mit dem Ausgang der letzten Erhöhung zu dem Punkt hinsichtlich der neu geforderten Erhöhung stattzufinden hat. Die Parteien sind sich darüber einig, dass Bestandspachten für Ackerland gemeint sind.
4. ... Die Parteien sind sich auch darüber einig, dass es bei der Wesentlichkeitsschwelle von 10 % im Sinne der Pachtzinserhöhungsklausel bleibt.
5. (...)"
Die Formulierung in Ziff. 3 des Vergleichs "Erhöhung frühestens ab 01.10.2014" wurde vom Gericht - ohne vorherige Erörterung - gewählt und von den Parteien widerspruchslos hingenommen.
Der Kläger verlangte von der Beklagten für das Pachtjahr 01.10.2016/30.09.2017 eine Erhöhung des Pachtzinses auf insgesamt 14.324,80 EUR, dem die Beklagte entsprach. Auch für das folgende Pachtjahr 2017/2018 zahlte die Beklagte die erhöhte Pacht. Eine Überprüfung der Pachtpreise der BVVG durch den Kläger im September 2019 ergab, dass diese um 12,16 % gestiegen waren. Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten mit Schreiben vom 26.09.2019 eine Erhöhung der Pacht auf 16.066,67 EUR für die Pachtjahre 2019/2020 und 2020/2021. Die Beklagte wies die Forderung mit der Begründung zurück, ein (weiteres) Erhöhungsverlangen sei frühestens im September 2020 möglich. Sie begründete dies mit der Auffassung, dass nach der Pachtzinsanpassungsklausel jeweils nach Ablauf von zwei Jahren nach der letzten Erhöhung oder dem letzten Erhöhungsverlangen ein erneutes Pachterhöhungsverlangen gestellt werden könne (Anwaltsschreiben vom 04.12.2020 - K 6, Bl. 18 ff.).
Der Kläger hat sein Anpassungsverlangen gerichtlich weiter verfolgt und hierbei die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten bemühte Auslegung der mit gerichtlichem Vergleich vom 27.06.2007 erfolgten Neuregelung der Pachtzinsanpassung in § 3 des Pacht...