Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisevertragsrecht. Rücktrittsrecht bei erheblichen Änderungen der Reiseleistungen vor Reisebeginn
Leitsatz (redaktionell)
Bei erheblichen Änderungen der Reiseleistungen vor Reisebeginn ist ein Kunde berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Dem Reiseveranstalter steht bei Geltendmachung des Rücktrittsrechts keine pauschale Entschädigung zu.
Normenkette
BGB §§ 651a, 651c, 651f
Verfahrensgang
AG Rostock (Urteil vom 17.07.2008; Aktenzeichen 42 C 157/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 17.7.2008 verkündete Urteil des AG Rostock - Az.: 42 C 157/08 - geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 458 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.1.2008 zu bezahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere 178 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.1.2008 zu bezahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Kläger 147,56 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.3.2008 zu bezahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert der Berufung wird auf 636 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger buchten im Juli 2007 über ein ... Reisebüro bei der Beklagten eine Mittelmeerkreuzfahrt vom 27.4. bis 8.5.2008 zum Preis von 4.580 EUR, wobei sie eine Anzahlung von 458 EUR leisteten. Außerdem schlossen sie eine Reiserücktrittskostenversicherung zum Preis von 178 EUR ab. Nachdem sie erfahren hatten, dass die Beklagte ab dem 1.1.2008 auf dem gebuchten Schiff ein generelles Rauchverbot in den Kabinen verhängte, traten sie von dem Vertrag zurück.
Die Kläger begehren unter Berufung auf Nr. 4.2 der Reisebedingungen - wonach der Kunde bei erheblichen Änderungen der Reiseleistungen vor Reisebeginn von dem Vertrag zurücktreten kann - die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung und der gezahlten Prämien für die Reiserücktrittskostenversicherung sowie Ersatz ihrer Anwaltskosten für die außergerichtliche Vertretung. Die Beklagte verweigert die Zahlung, da ein Recht zum kostenfreien Rücktritt nicht bestehe und der Beklagten daher nach Nr. 7.2 der Reisebedingungen eine pauschalierte Entschädigung von 10 % des Reisepreises zustünde.
Das AG hat die Klage abgewiesen, da das Rauchendürfen in den Kabinen keine vereinbarte Reiseleistung gewesen sei. Auch fehle es an der Erheblichkeit, da die Kläger auf dem Balkon ihrer Kabine hätten rauchen dürfen. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 651 f. BGB lägen daher nicht vor.
Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Berufung haben die Kläger ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Weiter haben sie vorgetragen, nicht nur "Genussraucher" zu sein, sondern auch stark nikotinabhängig.
Die Kläger beantragen, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt - ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags - die Berufung zurückzuweisen.
II. Die vor dem zuständigen OLG (§ 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG) in rechter Frist und Form eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung hat Erfolg, da die Kläger zum kostenfreien Rücktritt berechtigt waren.
1. Entgegen der Ansicht des AG war die Unterbringung der Kläger während der Kreuzfahrt in einer Kabine, in der das Rauchen erlaubt ist, vereinbarte Reiseleistung.
a) Zu den Reiseleistungen, die die Beklagte gem. ihrer Verpflichtung aus dem Reisevertrag (§ 651a Abs. 1 Satz 1 BGB) zu erbringen hatte, gehörte der Transport der Kläger auf dem Schiff und ihre Unterbringung dort in der gebuchten Kabine. Das ist unstreitig.
b) Die Kläger hatten nicht etwa eine Nichtraucherkabine gebucht, in der das Rauchen - auch schon zum Zeitpunkt der Buchung - untersagt war, sondern eine "normale" Kabine.
Zutreffend weist die Berufung darauf hin, dass Rauchen erlaubt ist, solange es nicht ausdrücklich verboten ist und dass zum Zeitpunkt der Buchung der Reise durch die Kläger das Rauchen in den Kabinen noch nicht verboten, mithin erlaubt war. Davon konnten die Kläger bei der Buchung ausgehen. Das stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Zwar mag an Bord aus Sicherheitsgründen darauf hingewiesen worden sein, möglichst in den Kabinen nicht zu rauchen (Schriftsatz der Beklagten vom 21.4.2008, S. 2 = Bl. 20 d.A.). Daraus ergibt sich jedoch kein Rauchverbot. Auch aus dem Umstand, dass ausweislich des Reiseprospekts - und zwar unter der Rubrik "Gourmet" - die Restaurationsbereiche des Schiffes Nichtraucherbereiche waren und für Raucher die Freidecks sowie ausgewiesene Bereiche in den Bars zur Verfügung standen, konnte nicht der Schluss gezogen werden, in allen übrigen Bereichen an Bord sei das Rauchen untersagt. In diesem Fall wäre vielmehr eher ein entsprechender, deutlicher Hinweis im Prospekt zu erwarten gewesen. Dies gilt umso mehr, als es - jedenfalls im Jahr 2007 - noch als selbstverständlich angesehen werden konnte, dass in Kabinen auf Kreuzfahrtschiffen geraucht werden durfte, solange es sich nicht ausdrücklich...