Entscheidungsstichwort (Thema)

Absackendes Grundstück und undichte Abwasserhauptleitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein gemeindliches Kanalisationsnetz, wozu auch eine Hauptabwasserleitung zählt, gehört zu den unter § 2 HPflG fallenden Rohrleitungen.

2. Ein Schadensersatzanspruch nach § 2 HPflG setzt voraus, dass der Schaden entweder durch die Wirkungen von Flüssigkeiten entstanden ist, die von der Rohrleitungsanlage bzw. einer Anlage zur Ableitung von Flüssigkeiten ausgehen (Abs. 1 S. 1 = sog. Wirkungshaftung) oder dass der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Flüssigkeit zu beruhen, auf das Vorhandensein der Anlage selbst zurückzuführen ist (Abs. 1 S. 2 und 3 = sog. Zustandshaftung), es sei denn, dass sich diese zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsgemäßem, d.h. den anerkannten Regeln der Technik entsprechendem und unversehrtem Zustand befand.

3. Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hat der Geschädigte dabei die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Haftung nach § 2 HPflG zu beweisen.

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Aktenzeichen 3 O 636/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 03.11.2020 (Az.: 3 O 636/19) wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 03.11.2020 (Az.: 3 O 636/19) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.300,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2020 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Falle der Behebung der festgestellten Grundstückssetzungen oberhalb der Hauptabwasserleitung des Beklagten auch die anfallende Umsatzsteuer zu erstatten.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltsvergütung in Höhe von 808,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2020 zu zahlen.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits, einschließlich des selbständigen Beweisverfahrens, tragen die Klägerin 85 % und der Beklagte 15 %.

4. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1. genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für den Gegner vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten u.a. einen Schadenersatz- und Unterlassungsanspruch aus der Havarie in einem Abwasserleitungssystem des Beklagten geltend.

Mit Urteil vom 03.11.2020 hat das Landgericht dem Antrag der Klägerin auf Schadensersatz in Höhe von 4.300,- EUR nebst Zinsen und Kosten entsprochen, die weitergehende Klage auf Schadensersatz jedoch abgewiesen. Daneben hat es den Beklagten unter einer Bedingung zudem zur Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks durch austretendes Abwasser verurteilt.

Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, Anträge sowie Entscheidungsgründe nimmt der Senat gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.

Gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 03.11.2020 haben beide Parteien Berufung eingelegt. Während die Klägerin mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Begehren, soweit diesem nicht entsprochen worden ist, vollumfänglich weiterverfolgt, macht der Beklagte mit seiner Berufung die vollständige Abweisung der Klage geltend.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Landgericht habe ihr zu Unrecht lediglich einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 4.300,- EUR zugesprochen. Die Klägerin habe entgegen dem landgerichtlichen Urteil nicht nur eine Kausalität hinsichtlich der direkt über der Hauptabwasserleitung bestehenden Grundstücksabsenkungen durch die marode Abwasserleitung beweisen können. Der beauftragte Sachverständige Prof. Dr. H. habe im Hinblick auf die Frage, ob sämtliche vorhandenen Grundstücksschäden aus dem Ereignis vom 12.07.2014 stammen würden, selbst darauf hingewiesen, dass dies nicht allein durch einen Sachverständigenbeweis zu klären sei, sondern auch durch Bildaufnahmen oder die Vernehmung von Zeugen. Aus diesen Erwägungen heraus sei deshalb der Zeuge S. am 22.09.2020 vor dem Landgericht Neubrandenburg vernommen worden. Unter anderem habe dieser bekundet, dass er das Grundstück bereits vor dem Ereignis vom 12.07.2014 zehn Jahre lang gewartet und dort u.a. gemäht und deshalb das Grundstück genau gekannt habe. Erst nach dem 12.07.2014 habe der Zeuge festgestellt, dass Grundstücksabsackungen im Bereich der Rohrleitungen entstanden seien, und in der Folgezeit auch bemerkt, dass immer mehr Absackungen dazu gekommen seien. Im Bereich des Hauses sei dem Zeugen dann in der Folge des 12.07.2014 aufgefallen, dass d...

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