Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die erneute eidesstattliche Versicherung eines Selbständigen. Wiederholte Offenbarungsversicherung. erneute Abgabe der eidesstattlichen Versicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Selbständige sind nicht kraft der von ihnen ausgeübten Tätigkeit vom Schutzbereich des § 903 ZPO generell ausgenommen mit der Folge, dass sie alle 6 Monate eine erneute Offenbarungsversicherung abgeben müssten.

2. Die fortgesetzte Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann nicht der „Auflösung eines bisher bestehenden Arbeitsverhältnisses” gleichgestellt werden.

3. Der Ausnahmetatbestand „Erwerb neuen Vermögens” setzt die glaubhaft gemachte Wahrscheinlichkeit voraus., dass der Schuldner vor Ablauf der 3-Jahresfrist pfändbares Vermögen erworben hat. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.

 

Normenkette

ZPO §§ 903, 807

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 10 T 218/2000)

AG Nürtingen (Aktenzeichen 3 a M 733/2000)

 

Gründe

I.

Die Gläubigerin verlangt von der Schuldnerin, die Ende 1998 die eidesstattliche Versicherung nach §§ 807, 900 ZPO abgegeben hatte, mit Antrag vom Oktober 1999 die Abgabe einererneuten eidesstattlichen Versicherung nach § 903 ZPO, weil nach der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass sie als selbständig Tätige – Inhaberin eines Schreibbüros – neues Vermögen erworben habe.

Den Widerspruch der Schuldnerin hat der Rechtspfleger desVollstreckungsgerichts „verworfen”. Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Schuldernin hat dasLandgericht stattgegeben und unter Aufhebung der Widerspruchsentscheidung des Amtsgerichts den Antrag der Gläubigerin auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich nun die Gläubigerin mit der sofortigen weiterenBeschwerde.

II.

Das – zulässige – Rechtsmittel der Gläubigerin hatkeinen Erfolg. Der Senat teilt die Ansicht der Beschwerdekammer, dass im Hinblick auf die im vorliegenden Fall glaubhaft gemachten Umstände eine Verpflichtung der Schuldnerin zur Abgabe der erneuten Offenbarungsversicherung vor Ablauf der dreijährigen Frist nach § 903 ZPO nicht zu bejahen war.

Zwar hat der Senat (wiederholt) ausgesprochen, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen des § 903 ZPO nicht überspannt werden dürfen, um nicht den Gläubiger schutzlos zu machen (OLGZ 1979, 116 = JurBüro 1978, 1726 = Die Justiz 1978, 433 für den Fall der Arbeitslosigkeit; ebenso zB OLG Karlsruhe DGVZ 1992, 27). Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass ein Schuldner immer schon dann vor Ablauf der dreijährigen Schutzfrist zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist, wenn der Gläubiger eine bloße Vermutung äußert, der Schuldner habe inzwischen neues Vermögen erworben.

a) Rechtlicher Ausgangspunkt ist zunächst, dass § 903 ZPO eine allgemeineSchuldnerschutzvorschrift ist, die zweiAusnahmetatbestände enthält. Diese beruhen zwar auf demselben Grundgedanken, nämlich der Änderung der wirtschaftlichen Gesamtlage des Schuldners in einem Umfange, dass ein vorzeitiger Gläubigerzugriff gerechtfertigt erscheint. Gleichwohl sind diese Ausnahmen, der Erwerb neuen Vermögens einerseits und die Aufgabe der bisherigen Erwerbsquelle andererseits, zu unterscheiden (deutlich Stein / Jonas / Münzberg, 21. Aufl. 1995, Rn 10 ff, 15; vgl. auch MünchKommZPO / Eickmann, 2. Aufl. 1992, Rn 6 ff; Wieczorek / Schütze / Storz, 3. Aufl. 1999, Rn 9 ff; Musielak / Voit, 2. Aufl. 2000, Rn 4 ff; Zöller / Stöber, 22. Aufl. 2001, Rn 7 ff, je zu § 903 ZPO).

Die Ausweitung dieser Ausnahmetatbestände auf angeblich wirtschaftlich gleichgelagerte Sachverhalte erfordert Behutsamkeit. Da selbständige (gewerbliche oder freiberufliche) Tätigkeit bereits bei Erlass der einschlägigen Bestimmungen der ZPO eine übliche Erwerbsquelle war, bestehen berechtigte Bedenken dagegen, Selbständige kraft der von ihnen ausgeübten Tätigkeit vom Schutzbereich des § 903 ZPO generell auszunehmen (so zutreffend OLG Bamberg, Jur. Büro 1988, 1422; Zöller/Stöber, aaO, Rn 8/9; Musielak / Voit, aaO, Rn 4; Münzberg aaO Rn 11, 12). Der vom Gläubigervertreter verfochtenen – und auch vom Amtsgericht ansatzweise für richtig erachteten – Ansicht (Anm. zu AG Hamburg, DGVZ 1999, 158 f; vgl. auch Franz Zimmermann, RPfl 1996, 441 ff), ein selbständig Tätiger sei beiFortführung seines Betriebes allgemein nach § 903 ZPO verpflichtet, seine Vermögensverhältnisse „eben alle 6 Monate erneut” zu offenbaren, weil er nach der Lebenserfahrung neue Vermögensgegenstände erworben habe, teilt der Senat nicht. Vielmehr bedarf es einer am Gesetz orientierten Zuordnung zu einem der beiden Ausnahmetatbestände.

b) Dem 2. Ausnahmetatbestand „Auflösung eines bisher bestehenden Arbeitsverhältnisses” kann die fortgesetzte Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht gleichgestellt werden, sondern allenfalls die Aufgabe – oder auch der Beginn – einer solchen Tätigkeit (OLG Bamberg aaO; LG Frankfurt RPfl 1998, 167; LG Münster DGVZ 2000, 27; AG Pirna DGVZ 2000, 142). Denn durch die Angabe der – fortbestehenden – Erwerbsquel...

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