Leitsatz (amtlich)
Es entspricht in der Regel nicht billigem Ermessen, im Falle einer erfolgreichen Vaterschaftsfeststellung der beteiligten Mutter Gerichtskosten aufzuerlegen.
Normenkette
FamFG § 81 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Aalen (Entscheidung vom 18.10.2010; Aktenzeichen 2 F 135/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 3 und 4 wird der Beschluss des Amtsgerichts Aalen - Familiengericht - vom 18.10.2010 (2 F 135/10) im Kostenpunkt
abgeändert:
Von der Erhebung der im ersten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten wird abgesehen.
Im Übrigen trägt jeder Beteiligte die ihm entstandenen notwendigen Auslagen selbst.
2. Von der Erhebung einer Gerichtsgebühr im Beschwerdeverfahren wird abgesehen.
Eine Erstattung der den Beteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen findet nicht statt.
Beschwerdewert: bis 1.200,00 €
Gründe
1. Auf den Antrag des Beteiligten Ziff. 1 hat das Familiengericht in seinem Beschluss vom 18.10.2010 festgestellt, dass der am 08.09.2008 verstorbene G. W. der Vater des Beteiligten Ziff. 1 ist (Satz 1 des Beschlusstenors). In Satz 2 des Beschlusstenors hat das Familiengericht bestimmt, dass die Kosten des Rechtsstreits die Beteiligten Ziff. 2 (Mutter des Beteiligten Ziff. 1), die Großmutter des Beteiligten Ziff. 1 und der Bruder des Verstorbenen (Beteiligte Ziff. 3 und 4) als Gesamtschuldner tragen.
Gegen diese Kostenentscheidung haben die Beteiligten Ziff. 3 und 4 Beschwerde eingelegt, mit der sie erstreben, dass die ihnen auferlegte Kostentragungspflicht aufgehoben wird. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Schriftsatz des Beteiligten Ziff. 4 vom 04.11.2010 (Bl. 50/52) und der Beteiligten Ziff. 3 vom 16.11.2010 (Bl. 53/64) verwiesen. Die Beteiligte Ziff. 2 und der durch das Jugendamt vertretene Beteiligte Ziff. 1 haben sich zu den Beschwerden nicht geäußert.
2. Die Beschwerden der Beteiligten Ziff. 3 und 4 sind gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig; sie sind insbesondere rechtzeitig eingelegt worden. Die Beschwerdeführer sind auch beschwerdeberechtigt (§ 59 FamFG), da sie durch die Entscheidung, die ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt, beschwert sind. Dabei kann die Kostenentscheidung isoliert (unabhängig von der Entscheidung über die Feststellung der Vaterschaft) angefochten werden (Thomas/Putzo/Hüßtege, 30. Aufl., Vorbemerkung zu § 80 FamFG, Rn. 4; Schindler in MüKo, §. Auflage, § 81 FamFG, Rn. 78).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes überschreitet auch den Zulässigkeitswert der Beschwerde (600,00 €; § 61 Abs. 1 FamFG), da für die Einholung des Sachverständigengutachtens 982,00 € an Kosten sowie an Gerichtsgebühren 73,00 € entstanden sind (ohne Berücksichtigung von Auslagen für postalische Zustellungen).
3. Die zulässigen Beschwerden sind auch in der Sache begründet. In Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach § 1600 d BGB gelten die allgemeinen Kostenbestimmungen nach §§ 80 ff FamFG (Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, § 183 FamFG, Rn. 2). Nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Kosten des Verfahrens sind nach § 80 FamFG die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens entstandenen notwendigen Auslagen der Beteiligten.
Beteiligter im Sinne des § 81 FamFG kann nur sein, wer nach § 7 FamFG formell am Verfahren beteiligt ist (KG FamRZ 1968, 472 zu § 13 a FGG; Feskorn in Prütting/Helms, § 81 FamFG Rn. 3). Dies trifft im vorliegenden Fall gemäß § 172 Abs. 1 FamFG nur auf die Beteiligten Ziff. 1 (Kind) und 2 (Mutter) zu, wobei streitig ist, ob nach § 81 Abs. 3 FamFG dem Kind auch in Abstammungsverfahren keine Kosten auferlegt werden dürfen (vgl. Rechtsgutachten des DIJuF vom 01.04.2010, JAmt 2010, 284). Wessen Recht dagegen durch das Verfahren nur materiell betroffen sein kann (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), dem können grundsätzlich keine Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn er sich nicht selbst am Verfahren beteiligt hat oder vom Gericht nicht als Beteiligter hinzugezogen worden ist (Keidel/Zimmermann, 16. Aufl., § 81 FamFG, Rn. 30). Hiernach kommt eine Kostenbelastung der Beteiligten Ziff. 3 und 4 nicht in Betracht. Beide Beschwerdeführer wurden vom Familiengericht nicht als formell Beteiligte behandelt; sie wurden lediglich durch den vom Gericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Sachverständigen zur Entnahme von Blutproben im Rahmen der Feststellung der Abstammung (nach § 178 FamFG) herangezogen. Während der Bruder des Verstorbenen seine Mitwirkung an einer Abstammungsfeststellung abgelehnt hat, hat sich die Mutter des Verstorbenen bereit erklärt, beim Gesundheitsamt ihres Wohnorts eine Blutabnahme vornehmen zu lassen, ohne eine verfahrensrechtliche Stellung einzunehmen.
Ist der Vater - wie vorliegend - bereits verstorben, so waren im sog. postmortalen Abstammungsverfahren nach § 55 b FGG (in Kraft bis einschließlich 31.08.2009) anstelle des verstorbenen Vaters weitere Personen (soweit vorhanden) anzuhören bzw. am Verfahren ...