Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung der Sachverständigenvergütung bei erheblicher Überschreitung des Auslagenvorschusses
Leitsatz (amtlich)
1. § 8a Abs. 4 JVEG ist nicht dahin einschränkend auszulegen, dass die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterbleibt, wenn davon auszugehen ist, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige gemäß § 407a Abs. 4 Satz 2, 2. Var. ZPO zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre.
2. Rechtsfolge der erheblichen Überschreitung des Vorschusses ist die Kürzung der Vergütung auf den Betrag des Vorschusses, ohne dass ein Aufschlag auf die Höhe dessen, was die maximal mögliche Vergütung unterhalb der Erheblichkeitsgrenze darstellen würde, vorzunehmen wäre.
Normenkette
JVEG § 8a Abs. 4; ZPO § 407a Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
AG Ravensburg (Beschluss vom 07.05.2020; Aktenzeichen 6 F 1159/13) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde und die Erinnerung der Antragsgegnerin werden der Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg - Familiengericht - vom 07.05.2020 - Az. 6 F 1159/13 - und die Kostenrechnung der Kostenbeamtin vom 08.01.2013 - Kassenzeichen ... abgeändert:
Der von der Antragsgegnerin zu tragende Betrag wird von 6.019,91 EUR auf 3.167,50 EUR herabgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 FamGKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache teilweise Erfolg.
Gegenstand der Beschwerde sind Auslagen im Sinne von Ziffer 2005 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG, nämlich "nach dem JVEG zu zahlende Beträge" an die Sachverständige. Entscheidend ist dabei, ob eine Zahlungspflicht der Staatskasse für die angesetzten Beträge besteht bzw. bestanden hat, nicht ob die Beträge tatsächlich bezahlt worden sind. Der Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg über die Festsetzung der Vergütung der öffentlich bestellten und vereidigten Dipl. Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken in Höhe eines Betrages von 10.704,83 EUR vom 20.07.2020 wirkt nicht zu Lasten der Kostenschuldnerin (§ 4 Abs. 9 JVEG).
Ein Vergütungsanspruch der Sachverständigen bestand vorliegend nur in Höhe des angeforderten Auslagenvorschusses von 5.000 EUR.
Gemäß § 8a Abs. 4 JVEG erhält der Sachverständige eine Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO in der bis zum 14.10.2016 gültigen Fassung (a.F.) bzw. § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO aktuelle Fassung (n.F.) auf diesen Umstand hingewiesen hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die von der Sachverständigen begehrte Vergütung übersteigt den Auslagenvorschuss erheblich im Sinne des § 8a Abs. 4 JVEG. Für die Sachverständige war nach dem Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg vom 27.11.2014, mit welchem die Beweiserhebung über den Verkehrswert eines bebauten Grundstücks in Bad Waldsee zum Zeitpunkt 12.08.1997 und zum Zeitpunkt 23.11.2013 angeordnet wurde, zunächst ein Vorschuss in Höhe von insgesamt 6.000 EUR angefordert. Dieser wurde gemäß Beschluss vom 23.01.2015 auf einen Betrag von 5.000 EUR reduziert, nachdem die Bewertung der Photovoltaikanlage von der Begutachtung ausgenommen worden war. Der Gutachtenauftrag wurde an die Sachverständige am 02.03.2015 unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss erteilt, die Akten wurden ihr ausgehändigt. Die von der Sachverständigen beanspruchte Vergütung beträgt insgesamt 10.704,83 EUR. Da auch die Einschätzung der Wertrelevanz und die Ergänzungen auf Nachfrage der Beteiligtenvertreter und zur Photovoltaikanlage der Beantwortung der Beweisfrage gemäß dem Beschluss vom 27.11.2014 dienten und damit den gleichen Gutachtenauftrag und nicht eine gesonderte Leistung betrafen, sind auch die hierfür angefallenen Kosten in die Vergleichsberechnung mit einzubeziehen. Die von der Sachverständigen beanspruchte Vergütung übersteigt den angeforderten Vorschuss daher um insgesamt 114%.
§ 8a Abs. 4 JVEG ist nicht dahin einschränkend auszulegen, dass die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterbleibt, wenn davon auszugehen ist, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige gemäß § 407a Abs. 3 Satz 2, 2. Var. ZPO a.F. bzw. § 407a Abs. 4 Satz 2, 2. Var. ZPO n.F. zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.11.2019 - 18 W 155/19; OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2015 - I-12 U 62/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.07.2017 - 10 W 376/17; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.09.2018 - 15 W 57/18; Greger in Zöller, ZPO 33. Auflage, § 413 Rn. 8; Schneider, Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz 3. Auflage 2018, § 8a, Rn. 39; Weber in Hartmann, Kostengesetze, 50. Auflage, § 8a JVEG Rn. 66; Binz in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Auflage 2019, § 8a JVEG, Rn. 39). Die Gegenauffassung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.04.2017 - 13 W 25/17; Thüringer Oberlandesgericht, Besch...