Leitsatz (amtlich)
Die beklagte Partei kann allein schon dadurch zur Erhebung der Klage Veranlassung geben, dass sie sich auf eine Leistungsaufforderung der klagenden Partei vorprozessual mit der Bitte einlässt, sie nicht zu belästigen, auch wenn die klagende Partei in ihrer Leistungsaufforderung den Anspruch nicht näher darlegt oder belegt und die beklagte Partei im Vorfeld des Prozesses über das Vorliegen der die Klage begründenden Umstände im Unklaren oder darüber im Irrtum war.
Normenkette
ZPO § 93
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 02.03.2012; Aktenzeichen 24 O 486/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des Einzelrichters der 24. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 2.3.2012 - 24 O 486/11 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 13.000 EUR.
Gründe
Die nach § 99 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, gegen den Kostenausspruch im Anerkenntnisurteil des LG vom 2.3.2012 gerichtete sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Das LG hat zu Recht § 93 ZPO nicht angewendet und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
1. Der Beklagte hat Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben. Sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber den Klägern war so, dass diese bei vernünftiger Würdigung aus ihrer objektivierten Sicht zu dem Schluss berechtigt waren, sie würden ohne Beschreiten des Prozesswegs nicht zu ihrem Recht kommen (vgl. etwa OLG Hamm, Urt. v. 24.6.1988 - 20 U 228/87 - Tz. 10 [juris]; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.6.2005 - 6 W 275/05 - Tz. 7 [juris]; OLG Zweibrücken, Urt. v. 8.6.2006 - 4 U 124/04 - Tz. 5 [juris]; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.2007 - 6 W 35/07 - Tz. 23 [juris]; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rz. 13; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 93 Rz. 3 m.w.N.).
a) Der Beklagte ist vorprozessual mehrfach zur - wie auch die Beschwerde nicht in Abrede stellt - auch schon seinerzeit durchsetzbaren und fälligen Leistung aufgefordert worden (vgl. zu Durchsetzbarkeit und Fälligkeit des Anspruchs sowie Leistungsaufforderung im Zusammenhang mit § 93 ZPO etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.2007 - 6 W 35/07 - Tz. 23 ff. [juris]; Senat, Beschl. v. 25.7.2011 - 13 W 29/11 - Tz. 15 [juris]; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 93 Rz. 5 f.). Er hat darauf nur einmal mit der Bitte reagiert, ihn nicht zu belästigen, und dabei erklärt, er habe mit der Sache nichts mehr zu tun, die Kläger sollten sich mit der Volksbank ... in Verbindung setzen (vgl. Anlage K 8).
b) Dieses Verhalten berechtigte die Kläger ohne weiteres zu dem Schluss, sie würden ohne Beschreiten des Prozesswegs nicht zu ihrem Recht kommen. Auf die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang und in welchen Grenzen die klagende Partei gehalten ist, den von ihr später im Rechtsstreit geltend zu machenden Anspruch im Vorfeld des Prozesses dem Schuldner darzulegen oder gar zu belegen, um den späteren Einwand der beklagten Partei auszuschließen, sie habe zur Erhebung der Klage i.S.v. § 93 ZPO nicht Veranlassung gegeben (vgl. etwa OLG Celle, VersR 1961, 1144; OLG Hamm, VersR 1969, 741; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 - 4 W 1675/02 - Tz. 3 [juris]; Leuschner, AcP 207 [2007], 64, 69 f., 81 f.), kommt es hier nicht an. Die erwähnte Reaktion des Beklagten auf ihre Leistungsaufforderungen konnten die Kläger bei vernünftiger Würdigung aus ihrer objektivierten Sicht allein dahin verstehen, dass der Beklagte unter keinen Umständen freiwillig leisten werde. Am Beklagten war es zumindest, sich zunächst konkret zu dem Verlangen der Kläger zu äußern und diese unter Benennung der aus seiner Sicht ggf. in Frage stehenden Gesichtspunkte zur Darlegung bzw. zum Beleg ihres Anspruchs aufzufordern (vgl. etwa LG Saarbrücken, Beschl. v. 20.1.2011 - 13 T 11/10 - Tz. 7 [juris]; Giebel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 93 Rz. 6; auch OLG München, Beschl., v. 1.12.1999 - 1 W 3034/99 - Tz. 27 [juris]; vgl. ferner etwa LG München II, VersR 1979, 459; Zöller/Herget, a.a.O., § 93 Rz. 6 "Darlegungen gegenüber Beklagtem"), ihnen ggf. vor allem seine etwaigen Zweifel darüber mitzuteilen, ob sie ihre Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag bereits erfüllt hatten.
c) Ob der Beklagte vor Prozessbeginn über das Vorliegen von klagebegründenden Tatsachen im Irrtum war, kann ebenfalls dahinstehen. Ein etwaiger Irrtum ginge zu seinen Lasten (vgl. etwa OLG Köln, MDR 1979, 941, 942; OLG Hamm, Urt. v. 24.6.1988 - 20 U 228/87 - Tz. 11 [juris]; Zöller/Herget, a.a.O., § 93 Rz. 6 "Unschlüssige Klage"), auf sein Verschulden kommt es dabei nicht an (vgl. etwa Zöller/Herget, a.a.O., § 93 Rz. 3; Bork in Stein/Jonas, a.a.O., § 93 Rz. 13).
2. Auf die Frage, ob das Anerkenntnis des Beklagten ein sofortiges war, kommt es, weil der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat, von vornherein nicht mehr an (vgl. etwa OLG München, Beschl., v. 1.12.1999 - 1 W 3034/99 - Tz. 26 [juris]; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.2007 - 6 W 35/07 - Tz. 22, 26 [juris]; OLG Zw...