Leitsatz (amtlich)
Ist bei der Messung des Alkohols in der Atemluft die Kontrollzeit von 10 Minuten nicht eingehalten, weil sich in der Mundhöhle eine Fremdsubstanz befand, kann das Messergebnis gleichwohl verwertbar sein, wenn der Grenzwert von 0,25 mg/l nicht unerheblich (etwa 20 %) überschritten ist und ein Sicherheitsabschlag vorgenommen wird. In diesen Fällen bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen (abweichend von OLG Hamm, Beschluss vom 24.01.2008 - 2 Ss OWi 37/08 -, VRS 114, 292).
Normenkette
StVG § 24a Abs. 1
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Entscheidung vom 08.03.2010; Aktenzeichen 12 OWi 63 Js 6394/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. März 2010 wird als unbegründet
v e r w o r f e n.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I. Das Amtsgericht verhängte gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Verstoßes gegen die 0,5 Promille-Grenze eine Geldbuße von 1.200 € und setzte ein Fahrverbot von 3 Monaten fest. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 20. August 2009 gegen 1.55 Uhr mit seinem PKW in die ... Straße. Er hätte erkennen können, dass er in Folge vorangegangenen Alkoholkonsums eine Alkoholmenge im Körper hatte, die das im Straßenverkehr zulässige Maß von 0,25 mg/l überschritten hatte. Zwei Atemalkoholmessungen, durchgeführt um 2.22 Uhr und 2.25 Uhr, ergaben Konzentrationen von 0,301 mg/l und von 0,297 mg/l.
Der Betroffene hat eingeräumt, Alkohol vor der Fahrt zu sich genommen zu haben, jedoch in geringem Maße. Während der Fahrt und der gesamten Kontrolle habe er einen Kaugummi im Mund gehabt. Dies stelle - so das Amtsgericht - jedoch die Richtigkeit der Messergebnisse nicht in Frage. Zwar sei es nach der Aussage des Polizeibeamten, der die Kontrolle durchgeführt habe, bereits fraglich, ob der Betroffene tatsächlich während der Kontrolle und bei Durchführung der Messungen einen Kaugummi im Mund gehabt habe. Jedenfalls habe der Zeuge ausschließen können, dass der Betroffene gekaut habe. Das Amtsgericht hält auf der Grundlage dieser Angaben die Messungen für verwertbar. Hierzu hat es einen Sachverständigen gehört, dem es folgt. Es legt hierzu dar:
"Der Sachverständige führte aus, dass, die Richtigkeit der Angaben des Betroffenen unterstellt, zwar die Durchführungsbedingungen für das ALCOTEST-Messgerät Dräger nicht eingehalten seien, da in den letzten 10 Minuten vor der Durchführung der Messung keine fremde Substanz in die Mundhöhle gelangt sein dürfe, dies jedoch vorliegend nicht zu einer Verfälschung des Messergebnisses führe, das außerhalb der erlaubten Messschwankungsbreiten liegt. Derartige Verfälschungen seien bislang bei keiner der untersuchten Fremdsubstanzen festgestellt worden. Zwar sei zu berücksichtigen, dass die Untersuchungen zum Einfluss von Fremdsubstanzen in der Mundhöhle bei Atemalkoholmessungen bislang überwiegend bei alkoholnüchternen Probanden durchgeführt worden seien, so dass bei bereits alkoholisierten Probanden unter Umständen eine Zuordnung geringfügig abweichender Werte zu unvermeidbaren Messfehlerschwankungen oder durch die Fremdsubstanz verursachten Verfälschungen nicht sicher erfolgen könne, jedoch sei von Abweichungen von maximal 0.02 mg/l auszugehen.
Eine solche Abweichung sei lediglich bei Untersuchungen nach dem Konsum eines "Fishermans‚s Friend"-Bonbons festgestellt worden; bei sämtlichen anderen Fremdsubstanzen wie Kaugummis und Lutschbonbons sei es zu keinen Verfälschungen gekommen. Der Sachverständige führte überdies aus, dass sich beim bloßen Lutschen an einem Kaugummi oder einem Bonbon weitaus weniger Fremdsubstanzen in der Mundhöhle lösten, als dies beim Kauen der Fall sei. Nach den Ergebnissen der wissenschaftlichen Untersuchungen sei daher vorliegend unter Zugrundelegung der Aussage des Zeugen von keiner Beeinflussung des Messergebnisses beim Betroffenen auszugehen. Die Trinkeinlassung des Betroffenen passe überdies mit der festgestellten Atemalkoholkonzentration keinesfalls zusammen. Würde sie stimmen, sei bei der Messung ein Ergebnis von 0,1 bis maximal 0,2 Promille zu erwarten gewesen. Insgesamt bezeichnete der Sachverständige daher die Einlassung des Betroffenen als unstimmig."
Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt, die er mit der Verletzung sachlichen Rechts begründet. Insbesondere macht er geltend, die Messung sei infolge Nichteinhaltung der Kontrollzeit von 10 Minuten unverwertbar.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich dem Vorbringen des Verteidigers angeschlossen und die Aufhebung des Urteils und Freispruch des Betroffenen durch das Rechtsbeschwerdegericht beantragt.
II. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Gemäß § 24 a Abs. 1 und 3 StVG handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft hat. Für die Verwertbarkeit einer Atemalkoholmessung ist wesentlich die Einhaltung der sog. Kontrollzeit von 10 Minuten vor der Me...