Leitsatz (amtlich)

Auch Verbraucherverbände müssen in einem Antrag auf Festsetzung eines Teilstreitwertes gemäß § 12 Absatz 3 UWG glaubhaft machen, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. An der prozessordnungsgemäßen Glaubhaftmachung fehlt es, wenn der Verbraucherverband der Übersendung des entsprechenden Schriftsatzes an den Gegner nicht zustimmt. § 117 Absatz 2 Satz 2 ZPO ist nicht analog anzuwenden.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 3; ZPO § 117 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 11 O 214/18)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.05.2024; Aktenzeichen IV ZR 436/22)

BGH (Beschluss vom 06.02.2024; Aktenzeichen IV ZR 436/22)

 

Tenor

1. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 690.000,00 Euro festgesetzt.

2. Der Antrag des Klägers auf Streitwertbegünstigung für die Berufungsinstanz wird abgelehnt.

 

Gründe

A Gemäß § 63 Absatz 2 i.V.m. § 51 Absatz 2 GKG ist der Streitwert auf 690.000,00 Euro festzusetzen, wobei sich die auf die einzelnen Klageanträge entfallenden Streitwerte aus der im heutigen Senatsurteil im Abschnitt C abgedruckten Tabelle ergeben. Da in der ersten Instanz derselbe Streitstoff gegenständlich war, ist die Streitwertfestsetzung des Landgerichts gemäß § 63 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen anzupassen.

I. Das Landgericht hat seiner Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt, dass der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbots, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung des Streitwerts in der Regel keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen ist, wenn Gegenstand des Rechtsstreits - wie hier - die Verbandsklage eines Verbraucherverbandes ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, Verbraucherverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, juris Rn. 5). Diese Erwägungen gelten nicht nur für die Fälle des Verbots von gesetzeswidrigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 1 UKlaG), sondern auch für eine im Hinblick auf eine verbraucherschutzgesetzwidrige Praxis im Sinne des § 2 UKlaG erhobene Verbandsklage (BGH, Beschluss vom 06. Juli 2021 - II ZR 119/20, juris Rn. 8). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist bei Verbandsklagen nach dem Unterlassungsklagengesetz der Streitwert regelmäßig mit 2.500,00 Euro pro angegriffener Teilklausel festzusetzen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 2018 - 2 W 35/17, juris Rn. 6). Diese Grundsätze schließen es nicht aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel oder einer Praxis für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel oder die Zulässigkeit einer bestimmten Praxis für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (BGH, Beschluss vom 22. November 2016 - I ZR 184/15, juris Rn. 16).

II. Im vorliegenden Fall können diese Grundsätze jedoch nicht herangezogen werden, denn der Kläger hat die Klage nicht nur auf §§ 1, 2 UKlaG gestützt, sondern alle Anträge auch auf § 8 UWG. Bei solchen Ansprüchen kommt es gemäß § 51 Absatz 2 GKG auf das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher an; maßgebend sind die gerade diesen drohenden Nachteile (BGH, Beschluss vom 15. September 2016 - I ZR 24/16, juris Rn. 9). Der Schutz vor unangemessenen Kostenrisiken ist dann nicht maßgebend (OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 2018 - 2 W 35/17, juris Rn. 5). Auch kommt dann die Beschränkung des Streitwerts bei Angelegenheiten nach dem Unterlassungsklagengesetz auf 250.000,00 Euro (§ 48 Absatz 1 Satz 2 GKG) nicht zur Anwendung. Es gilt vielmehr der allgemeine (etwa in § 44 GKG und in § 45 Absatz 1 Satz 3 GKG zum Ausdruck gebrachte) Grundsatz, dass der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist.

Dabei haben die Angaben des Klägers in der Klageschrift indizielle Bedeutung (BGH, Urteil vom 24. April 1985 - I ZR 130/84, juris Rn. 21). Die Streitwertangabe enthebt das Gericht allerdings nicht der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten selbständig nachzuprüfen (Kammergericht, Beschluss vom 09. April 2010 - 5 W 3/10, juris Rn. 4). Nach diesen Grundsätzen waren die - vom Ausgang des Rechtsstreits noch unbeeinflussten - Angaben in der Klageschrift ("mindestens 300.000,00 Euro") zu korrigieren, da die Klage teils bedeutende wirtschaftliche Interessen der Verbraucher verfolgt.

B Dem Antrag des Klägers, für das Berufungsverfahren eine Streitwertbegünstigung gemäß § 12 Absatz 3 und 4 UWG anzuordnen, kann nicht entsprochen werden.

I. Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der im Gesetz g...

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