Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt. Beschwerde gegen die Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Mit der sofortigen Beschwerde nach § 652 ZPO können auch erstmals im Beschwerdeverfahren Einwendungen gem. § 648 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden.
Normenkette
ZPO § 652
Verfahrensgang
AG Reutlingen (Aktenzeichen 1 R FH 19/2000) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Rechtspfleger – Reutlingen vom 04.05.2000 (1 R FH 19/2000)
aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Beschwerdewert: 6.882,– DM
Gründe
I.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren nach §§ 645 ff. ZPO. Zusammen mit dem amtlichen Erklärungsvordruck für Einwendungen gegen den Antrag ist die Antragsschrift vom 15.3.2000 dem Antragsgegner am 28.03.2000 durch Niederlegung zugestellt worden. Mit Beschluss vom 04.05.2000 hat das Amtsgericht dem Antrag entsprochen.
Der Beschluss wurde am 16.05.2000 durch Niederlegung dem Antragsgegner zugestellt. Am 05.05.2000 ging der Erklärungsvordruck für Einwendungen, ausgefüllt und unterschrieben durch den Antragsgegner, beim Amtsgericht ein. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 26.05.2000, eingegangen beim Amtsgericht Reutlingen am 31.05.2000, legte der Antragsgegner gegen den Festsetzungsbeschluss vom 04.05.2000 Erinnerung ein. Das Amtsgericht hat die Erinnerung als sofortige Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss angesehen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Das Familiengericht hat das vom Antragsgegner mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 26.05.2000 eingelegte Rechtsmittel zutreffend als sofortige Beschwerde i. S. von §§ 652 Abs. 1, 567 ff., 577 ZPO behandelt. Als zulässiger Rechtsbehelf gegen den. Festsetzungsbeschluss des Familiengerichts vom 04.05.2000 kommt – neben der hier nicht einschlägigen Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 RPflG – lediglich die sofortige Beschwerde in Betracht.
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wurde form- und fristgerecht eingelegt und hat in der Sache Erfolg.
Mit der sofortigen Beschwerde können nur formelle Fehler des Rechtspflegers gerügt, bzw. Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO erhoben werden. Eine materielle Überprüfung des Unterhalts findet über § 652 ZPO nicht statt (Thalmann in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 8 Rz. 343).
Erstmals im Beschwerdeverfahren hat der Antragsgegner geltend gemacht, dass er zur Zahlung von Unterhalt nicht leistungsfähig sei, er seit März 2000 ohne Einkünfte sei, weil die Gaststätte „Rock-Café”, die er von Oktober 1999 bis Ende Februar 2000 betrieben habe, abgebrannt sei. Er macht weiter geltend, dass er kein Arbeitslosengeld erhalte, ab Juli 2000 eine dreimonatige Therapie absolviere und er z. Zt. seinen Lebensunterhalt durch Anlagenverkäufe bzw. Versicherungsleistungen im Hinblick auf den entstandenen Schaden an den Einrichtungsgegenständen bestreite. Der Antragsgegner hat den Jahresabschluss zum 31.12.1999 vorgelegt, aus dem sich ein Gewinn von 4.196,59 DM ergab. Die Einwendung des Antragsgegners fällt unter § 648 Abs. 2 ZPO. Er hat damit die gem. § 648 Abs. 2 ZPO zulässige Einwendung erhoben, dass er zur Zahlung von Unterhalt nicht leistungsfähig ist und unter Einreichung des amtlichen Vordrucks Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht und den Jahresabschluss 1999 beigefügt. Gem. § 650 ZPO kann danach kein Unterhalt festgesetzt werden, weil eine zulässige Einwendung gem. § 648 Abs. 2 ZPO erhoben wurden, weshalb der Festsetzungsbeschluss aufzuheben war.
Der Senat ist der Auffassung, dass Einwendungen gem. § 648 Abs. 2 ZPO im Beschwerdeverfahren erstmals erhoben werden können, auch wenn diese Einwendungen im Anhörungsverfahren noch nicht erhoben wurden (ebenso Philippi in Zöller, ZPO, 21. Aufl., § 652, Rz. 3; Coester-Waltjen in Münch. Komm., ZPO, 2. Aufl., § 652, Rz. 6; wohl auch Thalmann a.a.O.; anderer Auffassung OLG Köln, FamRZ 2000, S. 680; Bäumel in Familienrechtsreform-komm. 1998, Rz. 3 zu § 652; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 652, Rz. 4). Entgegen dem Wortlaut des § 652 ZPO und der amtlichen Begründung zu § 652 ZPO, dass mit der Beschwerde nur gerügt werden kann, dass das erstinstanzliche Gericht eine Einwendung zu Unrecht als unzulässig angesehen habe, muss im Wege der teleologischen Reduktion des § 652 Abs. 2 ZPO der Weg eröffnet werden, auch Einwendungen gem. § 648 ZPO im Beschwerdeverfahren erstmals zuzulassen, auch wenn diese im Anhörungsverfahren noch nicht erhoben wurden. Der Zweck des vereinfachten Verfahrens für den Unterhalt Minderjähriger besteht darin, dem Minderjährigen auf schnelle und einfache Weise einen Unterhaltstitel zu verschaffen (Coester-Waltjen a.a.O., Vorbem. zum vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, Rz. 3). Diesem Zweck dient auch die Vorschrift des § 652 ...