Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiensache. Kindesunterhalts. Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger können Einwendungen gem. § 648 Abs. 2 ZPO nach Erlass des Festsetzungsbeschlusses durch das Amtsgericht nur noch mit der Korrekturklage gem. § 654 ZPO, nicht jedoch mit der sofortigen Beschwerde gem. § 652 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden.
Verfahrensgang
AG Waiblingen (Aktenzeichen 3 FR 255/00) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Waiblingen – Familiengericht – vom 3. Januar 2001 (3 FR 255/00) wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig
verworfen.
Beschwerdewert: |
DM 3.850,00 |
Gründe
I.
Der Antragsteller ist das Kind des Antragsgegners und begehrt von diesem die Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 645 ff. ZPO. Das nach einem rechtlichen Hinweis des Rechtspflegers beim Amtsgericht in abgeänderter Form eingereichte Antragsformular vom 8. November 2000 wurde dem Antragsgegner unter der Anschrift … am 28. November 2000 durch Niederlegung zugestellt. Eine Erklärung des Antragsgegners ist nicht erfolgt. Durch Beschluß vom 3. Januar 2001 hat das Amtsgericht den begehrten Unterhalt wie beantragt festgesetzt. Der Beschluß ist dem Antragsgegner am 17. Januar 2000 wiederum durch Niederlegung unter der Anschrift … zugestellt worden.
Mit einem beim Amtsgericht Waiblingen eingereichten Schriftsatz, welcher beim Oberlandesgericht am 29. Januar 2001 eingegangen ist, legt der Beklagte gegen die Unterhaltsfestsetzung Beschwerde ein und macht geltend, daß er leistungsunfähig sei.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist als sofortige Beschwerde gemäß § 652 Abs. 1 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingegangen. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht zulässig, weil die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 652 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt werden.
Gemäß § 652 Abs. 2 ZPO können mit der sofortigen Beschwerde nur in beschränktem Umfang Einwendungen geltend gemacht werden, nämlich die in § 648 Abs. 1 ZPO bezeichneten Einwendungen, die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO sowie die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung. Die vom Antragsgegner behauptete Leistungsunfähigkeit stellt sich als Einwendung gemäß § 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO dar.
In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob derartige Einwendungen erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben werden können. Philippi in Zöller, 22. Aufl., § 652 ZPO RN 9, Coester-Waltjen in MünchKomm., 2. Aufl., § 652 ZPO RZ 6 (ohne Begründung) sowie OLG Stuttgart, 18. ZS, OLG-Report 2000, 401, 402 und OLG Bamberg FamRZ 2001, 108, 109 vertreten die Auffassung, daß im Beschwerdeverfahren Einwendungen gemäß § 648 ZPO auch dann zuzulassen seien, wenn diese im Anhörungsverfahren noch nicht erhoben wurden. Zur Begründung dieser Auffassung wird einerseits ausgeführt, daß die Beschwerdeinstanz eine Tatsacheninstanz darstelle und aus der Formulierung „Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO” das Verbot neuen Tatsachenvortrags nicht abzuleiten sei (Zöller-Philippi a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.). Andererseits wird vertreten, daß für dieses Ergebnis eine teleologische Reduktion des § 652 Abs. 2 ZPO spreche. Zwar bestehe der Zweck des vereinfachten Verfahrens für den Unterhalt Minderjähriger darin, dem Minderjährigen auf schnelle und einfache Weise einen Unterhaltstitel zu verschaffen. Dieses Ziel erlaube gleichwohl nicht, dem Unterhaltsgläubiger einen mutmaßlich falschen Unterhaltstitel zu belassen und den Unterhaltsschuldner auf die Korrekturklage nach § 654 ZPO zu verweisen.
Dagegen vertreten in der Literatur Rühl/Greßmann, Kindesunterhaltsgesetz, RN 263; Musielak/Borth, 2. Aufl., § 648 ZPO Anm. 9 sowie Thomas/Putzo, 21. Aufl., § 652 ZPO RZ 3 unter Hinweis auf den Wortlaut und die Motive des Gesetzgebers (Bundestagsdrucksache 13/7338, Seite 42), ebenso wie OLG Köln FamRZ 2000, 680; OLG Naumburg, FamRZ 2000, 901 (Leitsatz) und OLG Hamm FamRZ 2000, 901 die Auffassung, daß § 652 Abs. 2 ZPO für die sofortige Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluß im vereinfachten Verfahren eine zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung enthalte. Deshalb bestehe bezüglich der Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO das Erfordernis, daß das Amtsgericht einen bereits erstinstanzlich erhobenen Einwand zu Unrecht als unzulässig behandelt hat.
Für letztere Auffassung spricht der Wortlaut des § 652 Abs. 2 ZPO. Die Vorschrift läßt nämlich einerseits sämtliche Einwendungen gemäß § 648 Abs. 1 ZPO zu, beschränkt aber andererseits Einwendungen gemäß § 648 Abs. 2 ZPO auf die „Zulässigkeit”. Dieser vom Gesetzgeber vorgesehene Unterschied kann nur so verstanden werden, daß Einwendungen gemäß § 648 Abs. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt vorgebracht werden können, während bei Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO Voraussetzung ist, daß sie in erster Instanz als unzulässig zurückgewiesen wurden.
Eine teleologische Reduktion des Normkomplexes auf eine Zulässi...