Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt ein Rechtsanwalt für seine Partei die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat und nennt dazu ein konkretes Datum für den Fristablauf, das innerhalb der Frist von einem Monat nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist liegt, ist das Verlängerungsgesuch dahin auszulegen, dass eine Fristverlängerung nur bis zum konkret benannten Datum begehrt wird.
2. Die aufgrund einer fehlerhaften Berechnung der Berufungsbegründungsfrist verursachte Fehlvorstellung des Prozessbevollmächtigten, für eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei die Zustimmung des Gegners gem. § 520 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO erforderlich, begründet ein der Partei zuzurechnendes Verschulden, das eine Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist ausschließt.
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 522 Abs. 1, §§ 233, 85 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 23.06.2014; Aktenzeichen 28 O 167/13) |
Nachgehend
Tenor
1. Der Antrag der Beklagten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 23.6.2014 - 28 O 167/13 - wird als unzulässig verworfen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Berufungsstreitwert: 82.911,30 EUR
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten restliches Architektenhonorar i.H.v. 82.911,30 EUR. Das LG hat der Klage mit Urteil vom 23.6.2014 vollumfänglich statt gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der Anträge erster Instanz wird auf das Urteil des LG Stuttgart vom 23.6.2014 - 28 O 167/13 - Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 27.6.2014 per Empfangsbekenntnis (vgl. Bl. 190 d.A.) zugestellt worden ist, hat die Beklagte über ihren Prozessbevollmächtigten am 24.7.2014 per Telefax Berufung eingelegt (vgl. Bl. 193 d.A.). Auf Antrag der Beklagten, die Berufungsbegründungsfrist "um einen Monat bis zum 22.9.2014 zu verlängern" (vgl. Telefax-Schriftsatz vom 25.8.2014, Bl. 204 d.A.), hat das Berufungsgericht mit Verfügung der stellvertretenden Senatsvorsitzenden vom 26.8.2014 (vgl. Bl. 205 d.A.) die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung "bis zum 22.9.2014" verlängert, wobei in der Verfügung als automatisierter Textbaustein folgender Hinweis abgedruckt war:
"Vorsorglich ergeht folgender Hinweis zur Fristverlängerung:
Mit einer weiteren Fristverlängerung kann nur unter folgenden Voraussetzungen gerechnet werden:
Für die Frist zur Berufungsbegründung: rechtzeitige Vorlage - oder anwaltliche Versicherung - einer Einwilligungserklärung der Gegenseite (§ 520 Abs. 2 ZPO).
Für die Frist zur Berufungserwiderung oder zur Stellungnahme hierzu: Darlegung erheblicher Gründe (§§ 521 Abs. 2, 224 Abs. 2 ZPO)."
Die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 22.9.2014 gefertigte und an das OLG Stuttgart adressierte Berufungsbegründung (vgl. Bl. 206 ff. d.A.) ist per Telefax am Montag den 22.9.2014 um 23.53 Uhr von diesem versehentlich an das LG Stuttgart gefaxt worden. Da das Telefaxgerät des LG defekt war, ist das Telefax auf dem Server des LG gespeichert und am Dienstagmorgen des 23.9.2014 beim LG Stuttgart ausgedruckt und an das OLG Stuttgart weitergeleitet worden, bei dem es noch am gleichen Tag eingegangen ist. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung nochmals am 23.9.2014 direkt an das OLG gefaxt (Eingang: 23.9.2014, 8:07 Uhr).
Nachdem die Beklagte mit der ihrem Prozessbevollmächtigten am 29.9.2014 zugestellter Verfügung vom 24.9.2014 (vgl. Bl. 216 d.A.) auf den verfristeten Eingang der Berufungsbegründung beim OLG hingewiesen worden war, hat sie mit Schriftsatz vom 6.10.2014, der per Telefax am 8.10.2014 beim OLG eingegangen ist, vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung anwaltlich folgendes versichert:
Am Morgen des 22.9.2014 habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagte vom Sachverständigen Dipl.-Ing. R. berufungswichtige Informationen erfragen wollen, was aber nicht gelungen sei, da der Sachverständige nicht erreichbar war. Eine hierauf bei den klägerischen Prozessbevollmächtigten bereits vormittags erfragte Zustimmung zu einer weiteren Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei von diesen am 22.9.2014 um 13:50 Uhr telefonisch verweigert worden. Im irrigen Glauben, die Berufungsgebegründungsfrist laufe noch an diesem Tag ab, habe sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an die Fertigung der Berufungsbegründungsfrist gemacht. Diese Arbeiten habe er um 23:50 Uhr abgebrochen, um den Schriftsatz noch fristgerecht per Telefax beim OLG Stuttgart einreichen zu können. Hierbei sei ihm beim Wählen der Telefaxnummer infolge eines Augenblicksversagens aufgrund erheblicher Erschöpfung ein Fehler unterlaufen, als er statt der Telefaxnummer des OLG die des LG Stuttgart gewählt habe. ...