Leitsatz (amtlich)
Tatrichterliche Feststellungen zu dem in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG beschriebenen Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit bilden doppelrelevante Umstände jedenfalls dann, wenn dem Schuldspruch die Begehungsform des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zugrundeliegt.
Verfahrensgang
AG Waiblingen (Entscheidung vom 12.08.2013; Aktenzeichen 4 Ls 221 Js 84121/12) |
Tenor
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 12. August 2013 mit den Feststellungen
aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafabteilung des Amtsgerichts Waiblingen
zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 12. August 2013 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, und die Tat des Angeklagten rechtlich als gewerbsmäßiges unerlaubtes Handeltreiben nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG gewertet.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte verkaufte an einem nicht feststellbaren Tag zwischen dem 17. Januar 2012 und dem 21. Januar 2012 in W. dem H. 50 Gramm Marihuana durchschnittlicher Qualität (Wirkstoffgehalt an THC mind. 5%) gewinnbringend zum Preis von insgesamt 380,- Euro. Der Angeklagte bot auch in der Folgezeit H. den Verkauf von Marihuana an, wozu es jedoch nicht mehr kam, da H. keinen Bedarf hatte. Der Angeklagte handelte in der Absicht, sich durch den gewinnbringenden Verkauf von Betäubungsmitteln eine Einnahmequelle von einem erheblichen Umfang zu erschließen.
Im Rahmen der Strafzumessung ist das Amtsgericht von dem Strafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG ausgegangen und hat das Regelbeispiel des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG als erfüllt angesehen.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte fristgerecht Rechtsmittel eingelegt. Nach Zustellung des Urteils hat er innerhalb der Frist zur Begründung der Revision das Rechtsmittel als Sprungrevision bezeichnet und "auf den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der seitens der Verteidigung bestrittenen Frage der Gewerbsmäßigkeit des Handeltreibens" beschränkt. Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts; er wendet sich insbesondere dagegen, dass im angefochtenen Urteil keine näheren Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit des Handeltreibens getroffen worden seien. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die nach § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten ist begründet (§ 349 Abs. 4 StPO).
1.
Das angefochtene Urteil unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch den Senat.
Zwar könnten die vom Amtsgericht unter II. getroffenen knappen Feststellungen im Falle einer Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch eine noch ausreichende tatsächliche Grundlage für die rechtliche Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs - auch soweit es um die Gewerbsmäßigkeit des Handelns geht - bilden. Die Feststellungen sind nicht in einem solchen Umfang dürftig, unvollständig, unklar oder widersprüchlich, dass sie keine hinreichende Grundlage für eine entsprechende Prüfung bilden könnten (vgl. BGHSt 33, 59; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 318 Rn. 16).
Allerdings hat der Angeklagte seine Revision nicht vorbehaltlos auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Ausweislich der Revisionsbegründung will er sein Rechtsmittel auf den "Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der [...] Frage der Gewerbsmäßigkeit des Handeltreibens" beschränken. Er wendet sich damit auch gegen die Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen ergibt, unter denen nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG (Gewerbsmäßigkeit) in der Regel ein besonders schwerer Fall des Handeltreibens gegeben ist. Diese Beschränkung wäre unwirksam, wenn es sich um doppelrelevante Umstände handelt. Denn eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch kann nicht wirksam vorgenommen werden, wenn Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand einen untrennbaren Teil der Schuldfrage - einen sog. doppelrelevanten Umstand - bildet und sich der Anfechtende bei verständiger Würdigung seines Rechtsmittelbegehrens (auch) dagegen wendet, dass in dem angefochtenen Urteil eine solcher Umstand angenommen oder nicht angenommen wurde (BGHSt 29, 359, 366).
Ob es sich bei dem Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit um einen doppelrelevanten Umstand i. S. der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 29, 359) handelt, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt:
Nach Ansicht des OLG Celle (Beschluss vom 31. Januar 2001 - 32 Ss 103/00 -, [...] Rn. 10), dem das OLG Karlsruhe (NStZ-RR 2004, 271, 272) gefolgt ist, und des Kammergerichts (Beschluss vom 4. April 2012 - 1 Ss 377/11 -, [...] Rn. 3) handelt es sich bei den Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit - in den Entscheidungen ging es ...