Leitsatz (amtlich)
Der notwendige Lebensbedarf eines Kindes bei der Berücksichtigung von Kindergeld im Rahmen des § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO orientiert sich an den Mindestbedarfsbeträgen.
Normenkette
ZPO § 115; SGB XII § 82 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Rottweil (Beschluss vom 21.06.2011; Aktenzeichen 4 F 251/10) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse/Beschwerdeführerin wird der Beschluss des AG Rottweil - Familiengericht - vom 21.6.2011 mit der Maßgabe abgeändert, dass der Antragsgegner/Beschwerdeführer ab dem 1.2.2012 Raten i.H.v. EUR 75 zu leisten hat.
II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
III. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Bezirksrevisorin beim LG Rottweil gegen die Nichtanordnung von monatlichen Ratenzahlungen durch das Familiengericht Rottweil.
Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners, der sich derzeit in der Wohlverhaltensphase im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens befindet, sei eine monatliche Rate i.H.v. EUR 95 angemessen.
Der alleinerziehende Antragsgegner ist dagegen u.a. der Ansicht, dass die Anordnung von Ratenzahlungen angesichts des Umstandes der Nichtzahlung von Kindesunterhalt durch die Kindesmutter, die unbekannten Aufenthalts ist, für ihn eine unangemessene Härte darstellen würde.
Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde der Staatskasse mit Beschluss vom 7.11.2011 nicht abgeholfen. Auf Seiten des Antragsgegners seien berufsbedingte Fahrtkosten von EUR 620 zu berücksichtigen.
II. Die Beschwerde ist gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie hat teilweise Erfolg. Der Antragsgegner hat nach § 115 ZPO monatliche Raten i.H.v. EUR 75 zu leisten.
Die Wohlverhaltensphase hat keinen Einfluss auf die Verpflichtung von Ratenzahlungen. Der Antragsgegner ist gehalten, die Raten notfalls aus seinem unpfändbaren Einkommen aufzubringen.
Dem monatsdurchschnittlichen Einkommen des Antragsgegners i.H.v. EUR 1.768,96 war das Kindergeld i.H.v. EUR 368 nicht hinzuzurechnen.
Zwar stellt das Kindergeld grundsätzlich Einkommen des die Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten dar. Allerdings gilt dies nur dann, wenn das Kindergeld für den notwendigen Bedarf des Kindes nicht benötigt wird (BGH FamRZ 2005, 605).
Unstreitig zahlt die Kindesmutter keinen Unterhalt.
Den notwendigen Lebensbedarf eines Kindes setzt der Senat mit den Mindestbedarfsbeträgen i.H.v. insgesamt EUR 790 fest, EUR 426 für das im Januar diesen Jahres zwölf Jahre alt werdenden Kindes Ü. und EUR 364 für das acht Jahre alte Kind A.. Von den Mindestbedarfsbeträgen ist das Kindergeld i.H.v. EUR 368 in Abzug zu bringen, weshalb ein ungedeckter Bedarf i.H.v. EUR 422 verbleibt. Weiterhin ist pro Kind ein Betrag von 20 % hinsichtlich der gesondert zu berücksichtigenden Unterkunfts- und Heizungskosten zu berücksichtigen, weshalb pro Kind im Rahmen der Freibeträge EUR 168,80 anzusetzen sind.
Im Rahmen der Bemessung der Unterkunftskosten sind allgemeine Strom- und Wasserkosten nicht zusätzlich zu berücksichtigen, da sie unter die Freibeträge des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO fallen (BGH, FamRZ 2008, 781). Gleiches hat auch für die Abfallgebühren zu gelten (OLG Bamberg FamRZ 2005, 1183).
Zutreffend hat die Bezirksrevisorin Fahrtkosten gem. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 6 Nr. 2a der DurchführungsVO mit EUR 5,20 pro Entfernungskilometer, maximal 40 Entfernungskilometer, somit EUR 208 angesetzt (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.6.2009 - 11 WF 119/09). Damit sind alle im Zusammenhang mit der Unterhaltung eines Pkw's anfallenden Kosten abgegolten, weshalb auch ein ADAC-Beitrag keine Berücksichtigung findet (vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 2.4.2001 - 3 U 194/99).
Ein höherer Ansatz ist mit dem sozialhilfeähnlichen Charakter der Verfahrenskostenhilfe nicht zu vereinbaren. Auch im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe sind die Interessen des Staates an einer vernünftigen Begrenzung der Ausgaben zu berücksichtigen. Überdies werden die Interessen des Bedürftigen angemessen durch den Erwerbsfreibetrag berücksichtigt.
Eine Rechtsschutzversicherung, die nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a ZPO i.V.m. § 82 Abs. 2 Nr. 3a SGB XII nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, ist nach Ansicht des Senates auch aus Angemessenheitsgesichtspunkten nicht notwendig. Im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sind nur solche Versicherungen angemessen, die den Versicherten vor besonderen Gefahren schützen sollen, denen die Allgemeinheit ausgesetzt ist. Für Rechtsschutzversicherungen trifft dies allerdings nicht zu (vgl. auch OLG Brandenburg FamRZ 2009, 897).
Eben so wenig waren Kontoführungsgebühren und die Rundfunkgebühren zu berücksichtigen. Diese Ausgaben sind bereits im allgemeinen Freibetrag berücksichtigt (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.1.2007 - 9 WF 301/07 [Kontoführungsgebühren] sowie OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.2.2009 - 9 ...