Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Antrag des Sohnes … P. …, auf Wiederaufnahme des Verfahrens, …
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 16.04.1999; Aktenzeichen 19 KLs 230 Js 20172/99) |
StA Stuttgart (Aktenzeichen 230 Js 20172/99) |
GStA Stuttgart (Aktenzeichen 22 StA-Ws 282/99) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers I. P. wird der Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 16. April 1999
aufgehoben.
Dem Antragsteller wird für das Wiederaufnahmeverfahren Rechtsanwalt W. zum Pflichtverteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Tatbestand
I.
Am 30. April 1976 hat das Landgericht Heilbronn den türkischen Staatsangehörigen L. P. wegen eines gemeinschaftlichen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz in Tateinheit mit Steuerhinterziehung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht wurde der Verurteilte von Rechtsanwalt W. verteidigt. Nach rechtzeitiger Revisionseinlegung erhob der Verurteilte mit seiner umfänglichen, von Rechtsanwalt R. unterzeichneten Revisionsbegründung 19 Verfahrensrügen und die Sachrüge. Den Antrag des nach Entlassung aus der Untersuchungshaft in die Türkei zurückgekehrten Verurteilten, ihm für die wegen eines Terminsantrags des Generalbundesanwalts notwendig gewordene Revisionshauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof Rechtsanwalt R. als Pflichtverteidiger beizuordnen, hat der (stellvertretende) Vorsitzende des 1. Strafsenats am 25. Oktober 1977 abgelehnt. Mit Urteil vom 29. November 1977 hat der Bundesgerichtshof die Revision in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers als unbegründet verworfen.
Nach erfolgloser Verfassungsbeschwerde des Verurteilten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGMR) auf Antrag des Verurteilten am 25. April 1983 durch Urteil entschieden (NStZ 1983, 373), in der Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers für die Revisionshauptverhandlung liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 c MRK. Ein auf diesen Verfahrensverstoß gestützter Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde am 12. Dezember 1984 vom Landgericht Stuttgart als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten hat der Senat, nachdem er am 01. Februar 1985 Rechtsanwalt H. aus Heilbronn wegen der Schwierigkeit der Rechtslage zum Pflichtverteidiger des Verurteilten bestellt hatte, durch Beschluß vom 13. Februar 1985 (Die Justiz 1985, 177) mangels eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrundes als unbegründet verworfen. Die Verfassungsbeschwerde des Verurteilten wurde nicht angenommen (BVerfG NJW 1986, 1485).
Am 14. August 1991 ist der Verurteilte in seiner Geburtsstadt M./Türkei verstorben; dies ergibt sich aus einer vorgelegten Kopie des dortigen Standesamtsregisters.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts vom 09. Juli 1998 (BGBl I S. 1802) am 15. Juli 1998, wonach die Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann zulässig ist, wenn der EuGMR eine Verletzung der Menschenrechtskonvention oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht (§ 359 Nr. 6 StPO n.F.), hat Rechtsanwalt W. am 05. März 1999 namens und unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht des Sohnes des Verurteilten, I. P. beantragt, die Wiederaufnahme gegen das rechtskräftige Urteil des Bundesgerichtshofs – 1 StR 631/76 – vom 29. November 1977 zuzulassen, dieses Urteil aufzuheben und das Strafverfahren gegen den Verurteilten einzustellen, hilfsweise ihn freizusprechen. Der Antragsteller hat gebeten, vorab über die Bestellung des Pflichtverteidigers zu entscheiden. Diesen Antrag hat die Wiederaufnahmekammer des Landgerichts Stuttgart durch Beschluß vom 16. April 1999 als unzulässig verworfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die – zulässige – Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Dem Antragsteller wird wegen der Schwierigkeit der Rechtslage in entsprechender Anwendung von § 364 a StPO ein Verteidiger für das Wiederaufnahmeverfahren bestellt.
1. a) Allerdings kann nach dem Wortlaut der §§ 364 a, 364 b StPO, auf den sowohl die Wiederaufnahmekammer als auch die Generalstaatsanwaltschaft abstellen, im Wiederaufnahmeverfahren nur dem Verurteilten durch das Gericht ein Verteidiger bestellt werden. Den nach dem Tod des Verurteilten gemäß § 361 Abs. 2 StPO Antragsberechtigten, zu denen auch der Sohn gehört, steht das Recht auf Bestellung eines Pflichtverteidigers nach nahezu einhelliger Auffassung des Schrifttums nicht zu (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 364 a Rdnr. 1; Schmidt in KK, StPO, 4. Auflage, § 364 a Rdnr. 3; Gössel in LR, StPO, 25. Auflage, § 364 a Rdnr. 2; Paulus in KMR, StPO, § 364 a Rdnr. 2; Loos in AK-StPO, § 364 a Rdnr. 4; Pfeiffer, StPO, 2. Auflage, § 364 a Rdnr. 2). Eine schlüssige Begründung hierfür die über den Wortlaut hinausgeht, läßt die herrschende Lit...