Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerde in HKÜ-Verfahren ist nicht nur innerhalb von zwei Wochen einzulegen, sondern innerhalb dieser Frist auch zu begründen (§ 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG).

2. Wird die Beschwerde in HKÜ-Verfahren nicht fristgerecht begründet, führt dies zur Unzulässigkeit der Beschwerde.

 

Normenkette

IntFamRVG § 40 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 16.06.2020; Aktenzeichen 24 F 570/20)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 16.06.2020, Az. 24 F 570/20, wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. 1. Die Beteiligten führen ein Verfahren gemäß den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (im Folgenden: HKÜ) über die Rückführung des Kindes K. E. K., geb. am 29.07.2008, in die Türkei.

Mit Beschluss vom 16.06.2020 hat das Amtsgericht Stuttgart wie folgt entschieden:

Der Antragsgegner ist verpflichtet, das Kind K. E. K., geb. am 29.07.2008, binnen zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Beschlusses in die Türkei zurückzuführen.

2. Der Beschluss des Amtsgerichts wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 24.06.2020 zugestellt.

Mit am 03.07.2020 beim Amtsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz legte der Antragsgegner gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde ein. Er führte aus, dass die Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleibe. Der Antragsgegner hat seine Beschwerde mit am 04.08.2020 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Antragstellerin beantragt:

Die Beschwerde des Antragsgegners wird als unzulässig verworfen.

Sie geht davon aus, dass die Beschwerdebegründungsfrist versäumt worden ist.

Mit Beschluss vom 13.07.2020 wies der Senat darauf hin, dass die Beschwerde des Antragsgegners wegen der Versäumung der Begründungsfrist unzulässig ist.

II. 1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 IntFamRVG, § 58 Abs. 1 FamFG.

Die Beschwerde ist indes unzulässig, da sie zwar fristgemäß eingelegt, nicht aber fristgerecht begründet worden ist.

In HKÜ-Verfahren findet gemäß § 1 Nr. 3 IntFamRVG das IntFamRVG Anwendung. Das IntFamRVG enthält in Abschnitt 6 ("Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsabkommen") verfahrensrechtliche Sondervorschriften, die zu beachten sind.

Gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG ist die Beschwerde gegen einen in einem HKÜ-Verfahren ergangenen Beschluss des Amtsgerichts innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Hierauf wurde in der Rechtsbehelfsbelehrung in dem amtsgerichtlichen Beschluss auch zutreffend hingewiesen.

Eine Beschwerdebegründung des Antragsgegners war zwar angekündigt/vorbehalten worden. Die Beschwerde des Antragsgegners wurde indes bis zum 08.07.2020, dem Tag des Ablaufs der Beschwerdebegründungsfrist, nicht begründet.

Die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist führt nach der h. M. in der neueren Rechtsprechung und Literatur (OLG Bamberg, FamRZ 2016, 835; OLG Koblenz, FamRZ 2017, 135; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, 2. Auflage 2018, U 331; MüKoFamFG/Gottwald, 3. Aufl. 2019, § 40 IntFamRVG Rn. 3; Staudinger/Pirrung (2018), IntFamRVG G 79), der sich der Senat anschließt, zur Unzulässigkeit der Beschwerde.

Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 31.07.2015, 17 UF 127/15 -, juris, noch vertreten hat, der Zulässigkeit der Beschwerde stehe nicht entgegen, dass die Beschwerde nicht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG begründet worden ist, hält er daran nicht mehr fest.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Nr. 2 IntFamRVG, § 84 FamFG. Anhaltspunkte dafür, davon abzuweichen, dass derjenige die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels tragen "soll", der es eingelegt hat, liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts erfolgt gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 4 FamGKG. Nachdem im Beschwerdeverfahren keine Sachprüfung mehr stattgefunden hat, ist die vom Amtsgericht - zutreffend - vorgenommene Erhöhung des Verfahrenswerts gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst.

Eine Rechtsbeschwerde findet gemäß § 40 Abs. 2 S. 4 IntFamRVG nicht statt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14041162

NJW 2020, 3183

NJW 2020, 8

MDR 2020, 1320

Die Justiz 2020, 319

FamRB 2020, 482

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