Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Abänderung einer Verwaltungsentscheidung nach § 107 FamFG durch die Justizverwaltung, wenn die Frist für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung verstrichen ist.
Normenkette
FamFG § 107
Tenor
1. Der Antrag der Antragstellerin S. A. auf gerichtliche Entscheidung vom 28.04.2022 wird zurückgewiesen.
2. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des gerichtlichen Verfahrens erfolgt nicht.
3. Der Verfahrenswert des gerichtlichen Verfahrens wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 01.04.1999 in Jordanien die Ehe miteinander geschlossen. Am 01.06.2001 haben sie in Dänemark (nochmals) die Ehe miteinander geschlossen.
In dem vorangegangenen, auf Antrag des Ehemanns eingeleiteten Anerkennungsverfahren, Az.: 3465 E - 458/12, hat die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart mit Bescheid vom 26.07.2013 nach § 107 FamFG ausgesprochen:
Die Voraussetzungen für die Anerkennung der am 22. Februar 2011 beim Sharia-Gericht von A./Jordanien (Akten-Nr.: 6/144/146) erklärten und beim Innenministerium, Abteilung für Personenstand und Ausweis in A./Jordanien unter Nummer 8/1148 am 28. Februar 2011 registrierten (Privat-) Scheidung nach religiösem islamischen (jordanischem) Recht liegen vor, soweit hierdurch die am 1. Juni 2001 in F./Dänemark geschlossene Ehe (Heiratsregister 1697/2001) der oben Genannten geschieden worden ist.
Die Entscheidung enthielt zudem eine Kostenentscheidung sowie eine Rechtsmittelbelehrung. Sie wurde im Juli 2013 beiden Ehegatten an ihre inländische Anschrift durch Aufgabe zur Post bekanntgegeben. Auf die Entscheidung vom 26.07.2013 sowie auf die Akten des Vorverfahrens, Az.: 3465 E - 458/12, wird verwiesen.
Beide Beteiligten lebten damals und leben noch heute unter der Anschrift ...
Mit Schreiben vom 30.12.2020 legitimierte sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin und beantragte Einsicht in die Akte des Verfahrens Az. 3465 E - 458/12. Sodann trug sie mit Schreiben vom 23.01.2021 u.a. vor, dass der Ehefrau der Anerkennungsbescheid vom 26.07.2013 nie zugegangen sei und dass sie diesen Bescheid erst im Dezember 2020 bei einer Durchsicht der Unterlagen ihres Ehemanns gefunden habe. Die Beteiligten lebten weiter zusammen, es gebe eine gemeinsame Klingelanlage und zwei Briefkästen. Es gebe jedoch nur einen Schlüssel und beide Briefkästen würden insbesondere vom Ehemann geleert. Die Ehefrau dürfe nicht den Briefkasten des Ehemannes leeren. Die Verfahrensbevollmächtigte ersuchte, ohne einen konkreten Antrag zu stellen, um Prüfung, ob die Ehescheidung in Jordanien auch die Eheschließung in Dänemark umfasste.
Mit Schreiben der Verwaltung vom 17.02.2021 wurde die Antragstellerseite darauf hingewiesen, dass der Anerkennungsbescheid vom 26.07.2013 materiell wirksam und formell bestandskräftig geworden sei und es wurde eine konkrete Antragstellung angeregt.
Mit Schreiben vom 17.09.2021 teilte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass beim Familiengericht in S. ein Antrag gestellt worden sei, der offenbar das Bestehen der Ehe zwischen den Beteiligten betrifft.
Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin führte mit Schriftsatz vom 17.11.2021 aus, dass sie ihren Schriftsatz vom 23.01.2021 nun als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 48 FamFG verstanden wissen wolle. Auch könne sie nicht erkennen, dass der Bescheid vom 26.07.2013 ihrer Mandantin ordnungsgemäß "zugestellt" worden wäre.
Mit Schreiben vorn 02.12.2021 wurde die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin gebeten, einen konkreten Antrag zu stellen.
Mit Schriftsatz vom 06.12.2021 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin:
Im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Az. 3465 E-458/12 wird festgestellt, dass die Eheschließung der Parteien vor dem Standesamt in Dänemark, Kommune F., Eheschließung am 1. Juni 2001 Az. 1697/2001 fortbesteht.
Daraufhin wurde die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin durch die Verwaltung auf die Unzulässigkeit eines solchen Antrags bei der Justizverwaltung und auf die Zuständigkeit der Familiengerichte gem. §§ 111, 121 ff. FamFG hingewiesen.
Mit Schreiben vom 18.12.2021 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin (wörtliche Wiedergabe):
In Abänderung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, Verwaltungsabteilung, vom 26. Juli 2013 Az.: 3465 E - 458/12 wird festgestellt:
Die Voraussetzungen für die Anerkennung der am 22. Februar 2011 beim Sharia Gericht von A./Jordanien (Aktennummer: 6 /144/146) erklärten und beim Innenministerium, Abteilung für Personenstand und Ausweis in A./Jordanien unter Nr. 8 / 1148 am 28. Februar 2011 registrierten (Privat-) Entscheidung nach religiösem islamischen (jordanischen) Recht liegen nicht vor, soweit hierdurch die am 1. Juni 2001 in F./Dänemark geschlossene Ehe (Heiratsregister 1697/2001) der Parteien liegen nicht vor.
Mit Schreiben vom 21.12.2021 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, das...