Leitsatz (amtlich)

1) Schuldloses Handeln des unangemessen hohe Entgelte annehmenden Vermieters ermöglicht auf Antrag des Mieters die Durchführung des selbständigen Verfahrens auf Rückerstattung des Mehrerlöses.

2) Form und Inhalt dieses Antrags müssen den Voraussetzungen einer Klage im Zivilprozeß entsprechen.

3) Die Erklärung des Mieters, am Verfahren nicht teilnehmen zu wollen, beinhaltet regelmäßig keinen Verzicht auf den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch.

4) Die Anordnung der Rückerstattung des Mehrerlöses an den Mieter dient zugleich staatlichen Zwecken und steht gleichrangig neben der Anordnung der Abführung an das Land.

 

Verfahrensgang

AG Geislingen (Entscheidung vom 30.09.1977; Aktenzeichen 3 OWi 31/77)

 

Tenor

In dem Rechtsstreitverfahren zur Rückerstattung des Mehrerlöses nach dem Wirtschaftsstrafgesetz auf Antrag der Mieter [...] wird auf die Rechtsbeschwerde des Nebenbeteiligten das Urteil des Amtsgerichts Geislingen (Steige) vom 30. September 1977 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer ... Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

1)

Das Amtsgericht verurteilte den Nebenbeteiligten im selbständigen Verfahren nach § 10 Abs. 1 WiStG (in Verbindung mit § 9 WiStG) zur Rückerstattung angemessener, den Betrag von je 200 DM übersteigender Teile des aus der Vermietung von drei Wohnungen an die Mieter M., A. und Y. unzulässigerweise erzielten Mehrerlöses des Mietzinses, nachdem die Verwaltungsbehörde zuvor einen Rückerstattungsbescheid gegen ihn erlassen hatte. Gegen dieses Urteil wendet sich die Rechtsbeschwerde des Nebenbeteiligten.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Nebenbeteiligte die drei in seinem Hause ... in ... befindlichen Wohnungen an die oben bezeichneten Personen vermietet und in der Zeit vom 1. Januar 1972 bis 31. Dezember 1976 unangemessen hohe Entgelte im Sinne des § 5 Abs. 1 WiStG (§ 2 b Abs. 1 WiStG a.F.) angenommen. Weil er nach einer Anfang 1972 ausgesprochenen Beanstandung des Ordnungsamtes der Stadt ... den jeweiligen Mietzins auf - noch immer überhöhte - Beträge gesenkt und dies dem Bürgermeisteramt mitgeteilt, von diesem aber eine Antwort hierauf nicht mehr erhalten hatte, ging das Amtsgericht - wie schon die Verwaltungsbehörde - davon aus, daß er entschuldbar an die Rechtmäßigkeit der von ihm fortan verlangten Mietpreise geglaubt und ihm daher die Einsicht gefehlt habe, Unerlaubtes zu tun (unvermeidbarer Verbotsirrtum, § 11 Abs. 2 OWiG). Aus diesem Grunde ordnete das Amtsgericht die Rückerstattung von ihm für angemessen erachteter Teile des unzulässigerweise erzielten Mehrerlöses an die Mieter im selbständigen Verfahren an.

2)

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Nebenbeteiligte die Verletzung sachlichen Rechts. Das gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

a)

Die vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfenden Verfahrensvoraussetzungen sind allerdings gegeben.

aa)

Die gewählte Verfahrensart ist zulässig. Nach den Feststellungen des Tatrichters hat der Nebenbeteiligte für die Vermietung von Räumen zum Wohnen Entgelte angenommen, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte, die in ... für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt werden, um mehr als 20 % und damit "nicht unwesentlich" im Sinne des § 5 Abs. 1 WiStG (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Mai 1975 in ZMR 1975, 370) überstiegen. Damit verhielt sich der Nebenbeteiligte rechtswidrig. Da er jedoch wegen des ihm zugebilligten unvermeidbaren Verbotsirrtums nicht schuldhaft gehandelt hat und daher ein Bußgeldverfahren gegen ihn selbst nicht durchgeführt werden konnte, durfte das Amtsgericht gemäß § 10 Abs. 1 WiStG das die Abführung oder die Rückerstattung des Mehrerlöses bezweckende selbständige Verfahren ... durchführen (Erbs-Kohlhaas-Heyer, Strafrechtliche Nebengesetze, Anm. 1 a zu § 9 und Anm. 1 b zu § 10 WiStG). Der von der Verwaltungsbehörde zuvor erlassene Rückerstattungsbescheid steht gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 WiStG einem Bußgeldbescheid gleich und ist deshalb zulässige Grundlage des gerichtlichen Verfahrens (vgl. hierzu auch § 87 Abs. 3 OWiG und Erbs-Kohlhaas-Meyer, Anm. 2 zu § 11 WiStG).

bb)

Nach § 9 Abs. 3 WiStG, auf den § 10 Abs. 1 WiStG verweist, ist auf das (selbständige) Verfahren zur Rückerstattung: des Mehrerlöses an den Geschädigten die Mehrzahl der Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Entschädigung des Verletzten (§§ §403 ff StPO) anzuwenden. Dies bedeutet, daß der Antrag des Geschädigten, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, den Gegenstand und den Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und, wenn er - wie hier von allen drei Mietern - außerhalb der Haupt Verhandlung gestellt wird, dem Nebenbeteiligten zugestellt werden muß (§ 404 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO). For...

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