Entscheidungsstichwort (Thema)

selbständiges Beweisverfahren. Streitwertbeschwerbe

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 13.07.1992; Aktenzeichen 25 OH 1/92)

 

Tenor

Die Streitwertbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 13.07.1992 – 25 OH 1/92 – wird

zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde der Antragstellerin, mit der Herabsetzung des Streitwerts für das selbständige Beweisverfahren von 1.040.000,00 DM auf 520.000,00 DM begehrt wird, ist nicht begründet.

Das Landgericht hat den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren gemäß § 485 ff. ZPO zu Recht auf 1.040.000,00 DM festgesetzt.

Maßgebend ist im Rahmen der nach § 12 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO vorzunehmenden Festsetzung das Interesse der Antragstellerin an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens, also an der begehrten Beweissicherung durch Sachverständigen.

Dieses Interesse bemißt der Senat in Anlehnung an die Kostenschätzung des Sachverständigen K. im Gutachten vom 28.02.1991 für die Mängelbeseitigungskosten mit den in vorgenannter Höhe geschätzten Mängelbeseitigungskosten.

Mit dem Antrag begehrte die Antragstellerin zum einen die Feststellung von Umfang und Ursache der behaupteten Mängel in der Eternitfassadenverkleidung des Gebäudes Hotel R. in S. zum anderen auch die Feststellung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und deren Kosten.

Zwar war bis 01.04.1991 zum Beweissicherungsverfahren der § 485 ff. ZPO a. F. wohl überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dieses Interesse grundsätzlich nur mit einem Bruchteil der Hauptsache anzusetzen (Schneider, Streitwertkommentar für den Zivilprozeß, 9. Aufl. Rd. Ziff. 875 MWNW).

Jedenfalls nach Einführung des selbständigen Beweisverfahrens durch das am 01.04.1991 in Kraft getretene Rechtspflegevereinfachungsgesetz kann aber an dieser Auffassung nicht mehr festgehalten werden. Vielmehr ist als Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens in der Regel der Hauptsachewert anzusetzen, wenn und soweit sich – wie im vorliegenden Fall – die Gegenstände des selbständigen Beweisverfahrens und des Anspruchs in der Hauptsache decken (Zöller-Schneider, ZPO 17. Aufl. § 3 Rd.-Ziff. 16, Stichwort: Beweissicherung, MünchKomm.-Lappe ZPO § 3 Rd.-Ziff. 147, OLG Stuttgart, BauR 1992, 268, OLG München, JurBüro 1992, 561, OLG Köln BauR 1992, 411; a.A. OLG Köln, JurBüro 1992, 351, OLG Karlsruhe, JürBüro 1992, 559, OLG Düsseldorf, Beschluß vom 27.05.1992, 9 W 47/92, n.v.).

Maßgebend hierfür ist, daß Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens nicht mehr wie früher lediglich die Sicherstellung eines bestimmten Beweismittels als vorbereitende Maßnahme für einen künftigen Rechtsstreit ist. Vielmehr ist Ziel des selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 ff. ZPO neuer Fassung die Vermeidung eines Rechtsstreits durch Klärung bestimmter Streitpunkte, notfalls die Vorbereitung des Rechtsstreits durch Vorwegnahme der Beweisaufnahme.

Dies kommt am deutlichsten zum Ausdruck durch die Neufassung des § 485 Abs. 2 ZPO, wo das erforderliche rechtliche Interesse in erster Linie in der Vermeidung eines Rechtsstreits gesehen wird. Hinzu kommt, daß in zwei Fällen das selbständige Beweisverfahren unmittelbar zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung führt. Zum einen kann gemäß § 492 Abs. 3 ZPO im selbständigen Beweisverfahren bei zu erwartender Einigung das Gericht die Parteien zur mündlichen Erörterung laden und einen gerichtlichen Vergleich protokollieren. Zum anderen kann der Antragsgegner die Klageerhebung nach § 494 a ZPO erzwingen. Schließlich ist auch vor allem durch das Verwertungsgebot des § 493 ZPO der Charakter des selbständigen Beweisverfahrens als der Hauptsache gleichwertiger Verfahrensteil verstärkt worden.

Im konkreten Fall kommt hinzu, daß bereits in der Antragsschrift die Antragstellerin ausdrücklich auf die mögliche außergerichtliche Beilegung der Streitigkeit hingewiesen hat, die im übrigen auch nach Vorlage des Sachverständigengutachtens zwischenzeitlich herbeigeführt werden konnte.

Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 3 GKG).

 

Unterschriften

Ott, Dr. Herdrich, Schneider

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1121638

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