Leitsatz (amtlich)

1. Zur Schätzung des Verkehrswertes des Aktieneigentums in Spruchverfahren (Anschluss an die OLG Stuttgart vom 5.6.2013 - 20 W 6/10 -, vom 24.7.2013 - 20 W 2/12 - sowie vom 15.10.2013 - 20 W 3/13).

2. Zur Bedeutung eines bei der Veräußerung des zu bewertenden Unternehmens Jahre nach dem Bewertungsstichtag erzielten Verkaufspreises für die Schätzung des maßgebenden Verkehrswerts.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 16.10.2012; Aktenzeichen 32 AktE 17/02 KfH)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin Ziff. 3 gegen den Beschluss der 32. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 16.10.2012 - 32 AktE 17/02 KfH - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerinnen tragen gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Gegenstand dieses Spruchverfahrens ist die gerichtliche Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Abfindung wegen des zwischen den Antragsgegnerinnen abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrags vom 21.12.2001.

I.1. Die Beschwerdeführerin ist - wie die übrigen Antragsteller, die am Verfahren in erster Instanz beteiligt waren - Minderheitsaktionärin der Antragsgegnerin Ziff. 1. Diese firmierte früher als X. AG, L., und firmiert nunmehr nach Durchführung diverser Umwandlungsmaßnahmen als X. Holdings GmbH, L. (im Folgenden: X). Als anderes Unternehmen i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG an dem Gewinnabführungsvertrag vom 21.12.2001 beteiligt ist die Antragsgegnerin Ziff. 2. Diese firmierte früher als S AG und firmiert nunmehr nach formwechselnder Umwandlung als E I GmbH, S. (im Folgenden: S).

Die X wurde als Aktiengesellschaft nach deutschem Recht mit Sitz in L. gegründet. Sie leitet als Holdinggesellschaft eine Gruppe in- und ausländischer Beteiligungsgesellschaften, wobei sie im Bewertungszeitraum acht unmittelbare und sechzehn mittelbare Beteiligungen hielt. Die X und die Beteiligungsgesellschaften sind geographisch unterteilt, nämlich in das Segment D. und Ö., das die X selbst sowie im Wesentlichen die X. A. AG abdecken, ferner in das Segment G., das die X. (UK) Ltd., das Segment S., das die größte operative Gesellschaft E.., O., sowie in das Segment "Übrige", das insbesondere die X. l. S. p. A., M., I. als Beteiligung mit der höchsten Bedeutung abdeckt.

Die Beteiligungsgesellschaften sind unter der Bezeichnung "X" auf dem Gebiet der Parkraumbewirtschaftung, der Betreuung von Immobilien und der Erbringung von auf Verkehrssteuerung bezogenen Dienstleistungen tätig. Insbesondere erwerben, mieten, pachten, verwalten, veräußern, vermieten oder verpachten sie Parkplätze und Parkhäuser. Die X kann auf diesem Gebiet auch selbst tätig werden oder sich auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen beschränken.

S ist Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe, die u.a. auf den Geschäftsfeldern Kollektion und Produktion sowie Handel mit Schuhen, Herstellung und Vertrieb von Pappe, Lederfaserstoffen und Kunststofferzeugnissen, Immobilien sowie Dienstleistungen insbesondere auf den Gebieten Facility Management und Sicherheit tätig ist bzw. war, ferner über die Beteiligung an X im Bereich Parkraumbewirtschaftung und Verkehrssteuerung.

Am 31.12.2011 hielt die E. AG 1995, 4 % des Grundkapitals von S und wurde nach einem Squeeze-out im Jahre 2002 deren alleinige Aktionärin.

2. Die Antragsgegnerinnen schlossen am 21.12.2001 einen Gewinnabführungsvertrag zugunsten der S AG als anderem Unternehmen (Anlage AG 1). Durch diesen Vertrag verpflichtete sich X, den gesamten Gewinn an S abzuführen; im Gegenzug verpflichtete sich S, den Verlust von X auszugleichen. In § 5 dieses Vertrags wurde als fester Ausgleich gem. § 304 AktG ein Betrag i.H.v. 5,80 EUR je Stückaktie, erstmals für das Geschäftsjahr 2001, und in § 6 dieses Vertrags eine Abfindung gem. § 305 AktG i.H.v. 95,50 EUR je Stückaktie festgesetzt.

Dem Gewinnabführungsvertrag lag ein Bewertungsgutachten der A Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: Bewertungsgutachter) vom 10.12.2001 zugrunde (Anlage AG 2). Dieses ermittelte zum Bewertungsstichtag am 12.4.2002, dem Tag der Zustimmung zum Gewinnabführungsvertrag durch die Hauptversammlung der X, einen Unternehmenswert der X i.H.v. 187.342.000 EUR, woraus sich ein fester Ausgleich gem. § 304 AktG i.H.v. 5,80 EUR je Stückaktie sowie eine Abfindung gem. § 305 AktG i.H.v. 95,03 EUR je Stückaktie ergaben. Am 31.1.2002 erstatteten die Vorstände der beteiligten Unternehmen einen gemeinsamen Bericht über den Gewinnabführungsvertrag (Anlage AG 1).

Mit Beschluss des LG Stuttgart vom 19.12.2001 - 32 AktE 36/01 KfH - wurde die B. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: B) zum gemeinsamen Vertragsprüfer der beteiligten Gesellschaften nach § 293c Abs. 1 AktG bestellt. Die B erstattete unter dem 10.2.2002 den Bericht über die Prüfung des Gewinnabführungsvertrags (Anl...

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