Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Umfang bei Vergleich auch über mit verglichene nicht anhängige Ansprüche
Leitsatz (redaktionell)
Dem beigeordneten Rechtsanwalt steht eine 15/10 Gebühr auch für mit verglichene nicht anhängige Ansprüche zu.
Normenkette
BRAGO §§ 23, 13, 23 Abs. 1, § 128 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Heilbronn (Aktenzeichen 5 F 2050/96) |
Tenor
Wird die für einen Rechtsstreit bewilligte Prozeßkostenhilfe auf einen Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche erstreckt, so erhält der beigeordnete Rechtsanwalt aus deren Wert eine 15/10-Vergleichsgebühr, insgesamt jedoch nicht mehr als 15/10 aus dem Gesamtwert.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hatte beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt zu verpflichten und ihr für dieses Verfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien zur Erledigung des anhängigen einstweiligen Verfügungsverfahrens und zur Regelung künftigen Trennungsunterhalts einen Vergleich. Der Streitwert wurde auf 7.800,– DM festgesetzt; der Mehrwert des Vergleichs auf 4.200,– DM. Beiden Parteien wurde Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und die Bewilligung auch auf den Abschluß des Vergleichs erstreckt. Die Prozeßbevollmächtigten der Parteien wurden beigeordnet.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts hat nur eine Vergleichsgebühr in Höhe von 445,– DM berücksichtigt, während der Beschwerdeführer 667,50 DM beantragt hatte. Die Erinnerung des Antragstellervertreters, mit der er diese Absetzung angreift, hat der Amtsrichter zurückgewiesen. Er ist der Ansicht, daß der Beschwerdeführer, wie festgesetzt. nach § 23 BRAGO nur eine 10/10 Gebühr aus dem zusammengerechneten Wert von 12.000,– DM (= 445.–DM) beanspruchen könne, da über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO anhängig gewesen sei und, soweit der Vergleich eine Regelung des Unterhalts in der Hauptsache beinhalte, eine Anhängigkeit im Verfahren über die Prozeßkostenhilfe gern. § 23 Abs. 1 S. 3, 2. Hs. vorgelegen habe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Antragstellervertreters, der meint, daß die Vergleichsgebühr hier wie folgt zu berechnen sei: 10/10 Gebühr gem. § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO aus 7.800,– DM, sowie 15/10 Gebühr aus 4.200,– DM gem. § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO; gekürzt gem. § 13 Abs. 3 BRAGO auf eine 15/10 Gebühr aus dem zusammengerechneten Wert, womit ihm 667,50 DM zustünden.
II.
Das Rechtsmittel ist gem. § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Beschwerdeführer hat als im Prozeßkostenhilfeverfahren beigeordneter Rechtsanwalt gem. § 123 BRAGO gegenüber der Staatskasse Anspruch auf Vergütung einer 15/10-Vergleichsgebühr aus dem zusammengerechneten Wert von 12.000,– DM.
Die Gebühr für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts beim Abschluß eines Vergleichs beträgt nach § 23 BRAGO grundsätzlich 15/10 der vollen Gebühr. Soweit jedoch über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Gebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt nach § 23 Abs. 1 S. 3, 2. Hs. BRAGO dann, wenn ein Verfahren über Prozeßkostenhilfe anhängig ist. Dadurch soll das Bemühen des Rechtsanwalts gefördert werden, Streitigkeiten ohne Inanspruchnahme des Gerichts durch gütliche Einigung zu erledigen (Entwurf der Bundesregierung für das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, BT Drucksache 12/6962). In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob in den Fällen, in denen – wie hier – in einem vor dem Gericht geschlossenen Vergleich nicht anhängige Ansprüche mitverglichen werden und das Gericht auch für den Vergleich Prozeßkostenhilfe bewilligt, nach dem Wert der mitverglichenen nicht anhängigen Ansprüche eine 15/10 oder nur eine 10/10 Vergleichsgebühr entsteht (für die Entstehung einer 15/10 Gebühr z.B. OLG Bamburg JurBüro 1996, 23; OLG Karlsruhe JurBüro 1996, 638; OLG Koblenz JurBüro 1997, 81; Pfälzisches OLG Zweibrücken JurBüro 1997, 136; Enders JurBüro 1996, 617/618; a.A. OLG Nürnberg RPfleger 1996, 129; Mümmler in JurBüro 1995, 356).
Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung überwiegend vertretenen Ansicht an, wonach dem beigeordneten Anwalt auch für diesen Fall 15/10 der vollen Gebühr zustehen. § 23 Abs. 1 S. 3, 2. Hs. BRAGO kann im Hinblick auf den genannten gesetzgeberischen Zweck der Kostenrechtsänderung vernünftigerweise nur so verstanden werden, daß mit „Verfahren” nur die Verfahren gemeint sind, die abzielen auf die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Hauptsache, nicht aber solche Verfahren, in denen lediglich für den Abschluß eines bereits konkret in Aussicht genommenen Vergleichs Prozeßkostenhilfe beantragt und gewährt wird. Eine derartige Differenzierung ist auch sinnvoll, da nur im einen solchen Fall durch das Gericht eine sachliche Prüfung der geltend gemachten Ansprüche zur Feststellung von deren Erfolgsaussicht stattfindet; dies geschieht dann nicht, ...