Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehescheidung. Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts
Verfahrensgang
AG Rastatt (Beschluss vom 22.03.1996; Aktenzeichen 4 F 97/95) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin W. wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts – Familiengerichts – Rastatt vom 22. März 1996 (4 F 97/95) dahin abgeändert, daß die beigeordnete Rechtsanwältin für den am 21. Februar 1996 gerichtlich abgeschlossenen Vergleich eine Gebühr in Höhe von 847,50 DM, somit insgesamt 2.914,68 DM zuzüglich 359,72 DM für das einstweilige Anordnungsverfahren erhält.
Tatbestand
I.
Die der Antragsgegnerin beigeordnete Rechtsanwältin W. verlangte in dem durch Vergleich abgeschlossenen Ehescheidungsverfahren auch für die zuvor nicht anhängigen Ansprüche eine Vergütung aus der Staatskasse in Höhe einer 15/10 Vergleichsgebühr.
Mit Beschluß vom 12.04.1996 hat der Kostenbeamte die zusätzliche 5/10 Mehrvergleichsgebühr abgelehnt, weil insoweit kein Anspruch gegen die Staatskasse entstanden sei.
Gegen diese Herabsetzung ihrer Gebührenforderung hat die beigeordnete Rechtsanwältin Erinnerung eingelegt mit der Begründung, die 15/10 Vergleichsgebühr gelte auch im Prozeßkostenhilfeverfahren für außergerichtlich geschlossene und gerichtlich protokollierte Vergleiche.
Mit Beschluß vom 31.05.1996, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Erinnerung zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Rechtsanwältin; sie bekräftigt ihre Rechtsansicht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der beigeordneten Rechtsanwältin ist nach § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Ob der beigeordnete Rechtsanwalt auch dann eine 15/10 Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO erhält, wenn das Gericht die für das Scheidungsverfahren bereits bewilligte Prozeßkostenhilfe auf eine abschließende Scheidungsvereinbarung erstreckt, ist streitig (bejahend OLG Bamberg, JurBüro 1996, 23 f; Enders, JurBüro 1995, 393 ff; van Eicken, HGS 1995, 46; ablehnend OLG Nürnberg, JurBüro 1996, 25; Mümmler, JurBüro 1995, 355).
Werden in einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich neben den anhängigen Ansprüchen auch nichtanhängige Ansprüche mitverglichen, so entsteht nach dem Wert der anhängigen Ansprüche eine 10/10 Vergleichsgebühr (§ 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO in der durch Art. 7 des KostRÄndG 1994 vom 24.06.1994, BGBl I S. 1325, geänderten Fassung) und nach dem Wert der nichtanhängigen Ansprüche eine 15/10 Gebühr (§ 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO). Durch die Anhebung der Vergleichsgebühr soll das Bemühen des Rechtsanwalts gefördert werden, Streitigkeiten ohne Inanspruchnahme des Gerichts durch gütliche Einigung zu erledigen (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12/6962).
Nach Maßgabe dieser Intention des Gesetzgebers ist eine restriktive Auslegung des § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO gerechtfertigt. Soweit in dieser Vorschrift die 15/10 Vergleichsgebühr auf eine 10/10 Gebühr ermäßigt wird, ist nur das Prozeßkostenhilfeverfahren über den Anspruch selbst gemeint. Dieses Verfahren wird im übrigen nur deshalb ausdrücklich erwähnt, um dem Argument vorzubeugen, nicht der Gegenstand selbst sei anhängig, sondern nur ein Prozeßkostenhilfeverfahren, und bereits deshalb falle eine 15/10 Gebühr an (dazu von Eicken, AGS 95, 46 unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/6962, S. 103). Wird Prozeßkostenhilfe nur für die vergleichsweise Miterledigung beantragt, wird nicht schon dadurch ein Verfahren über Prozeßkostenhilfe i.S.d. § 23 Abs. 1 BRAGO anhängig.
Zudem erstreckt sich im Falle des Scheiterns des Vergleichs die auf die vergleichsweise Miterledigung beschränkte Prozeßkostenhilfe nicht auch auf die folgende Geltendmachung der nichtanhängigen Ansprüche. Für eine etwaige Erweiterung der Klage hinsichtlich der nichtanhängigen Ansprüche ist gesondert Prozeßkostenhilfe zu beantragen mit der Folge, daß das Gericht dann auch die Erfolgsaussichten i.S.d. § 114 ZPO prüfen und bewerten muß; demgegenüber ist bei Gewährung der Prozeßkostenhilfe für die vergleichsweise Miterledigung nichtanhängiger Ansprüche in der Regel nur zu prüfen, ob die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Mehrkosten der vergleichsweisen Mitregelung aufbringen kann oder nicht (vgl. Enders, JurBüro 1996, 393, 394).
Die Erhöhung auf eine 15/10 Gebühr ist erst recht in einer Ehesache gerechtfertigt, denn nach § 122 Abs. 3 BRAGO erstreckt sich in diesem – hier vorliegenden – Fall die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf den Abschluß eines Vergleichs, der eine Familiensache des § 621 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 7 und 8 betrifft. Das Gesetzt erstreckt nämlich ohne weiteres die für das Scheidungsverfahren bereits erfolgte Beiordnung des Rechtsanwalts auf eine abzuschließende Scheidungsvereinbarung, so daß es keiner weiteren gerichtlichen Maßnahme bedarf und nach der Zielvorstellung des Gesetzgebers eine Anhebung der Vergleichsgebühr ohnedies veranlaßt ist. Da es hier nicht einmal eines Antrags auf Erstreckung der Prozeßkostenhilfe bedarf, ist hinsichtlich des mitvergliche...