Leitsatz (amtlich)
1. Die deutsche Gerichtsbarkeit kann nicht von einem ausländischen, hoheitlich tätigen Arbeitnehmer für einen Rechtsstreit gegen seinen der Staatenimmunität unterliegenden ausländischen Arbeitgeber in Anspruch genommen werden.
2. Die Klage eines ausländischen Konsuls Erster Klasse wegen Verletzung eines internationalen Sozialabkommens gegen seinen Heimatstaat ist daher vor deutschen Gerichten unzulässig.
3. Prüfung - und Klagabweisung als unzulässig - hat durch das als erstes mit der Sache befasste deutsche Gericht zu erfolgen, auch wenn dieses zur Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache nicht berufen wäre. Eine Verweisung an das insoweit ggf. richtige Gericht scheidet daher aus.
Normenkette
GVG § 20 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 26.02.2013; Aktenzeichen 2 O 172/11) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 26.2.2013 - Az. 2 O 172/11 - aufgehoben.
Das Verfahren wird zur Entscheidung des Rechtsstreits an das LG zurückverwiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 21.850 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des LG, mit dem das LG den Rechtsstreit an das ArbG Stuttgart verwiesen hat.
Die Klägerin, eine kroatische Staatsangehörige, war in Kroatien Lehrerin, bevor sie ab dem 1.9.2002 bis zum 1.9.2004 für das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Europäische Integration der Beklagten in deren Generalkonsulat in Stuttgart als Angestellte beschäftigt war. Als Leiterin für Kultur erhielt sie monatlich 1.450 EUR. Nach den Bedingungen des Anstellungsvertrages musste sich die Klägerin selbst um eine Sozialversicherung kümmern. Sie zahlte in Zagreb in eine private Rentenversicherung ein und war in Kroatien krankenversichert. Vom 15.1.2005 bis zum 15.6.2009 arbeitete die Klägerin erneut im Generalkonsulat in Stuttgart, jetzt als Konsulin Erster Klasse, und erhielt ein Gehalt von 2.300 EUR monatlich. Sie verfügte über einen diplomatischen Pass und war hoheitlich für die Beklagte tätig.
In dem am 15.1.2005 zwischen den Parteien geschlossenen "Vertrag über die Einteilung der Vertragsdiplomatin auf bestimmte Zeit ins Ausland" (Anlage K 4, Bl. 14 d.A.) ist u.a. Folgendes geregelt:
In Art. 4:
"Der Vertragsdiplomatin steht das Recht auf Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge zu, deren Betrag nach der Komplexität der Arbeitsaufgaben ihrer Stelle als Diplomatin festgestellt wird, und zwar nach der Verordnung über Bezeichnungen der Arbeitsstellen und dem Koeffizient der Komplexität der Arbeitsaufgaben im Staatsdienst (...)".
In Art. 8:
"Alle Rechte, Pflichten und Verantwortungen, die der Vertragsdiplomatin zukommen, werden in einem amtlichen Beschluss angegeben."
In Art. 10:
"Im Falle eines Gerichtsverfahrens, sind sich beide Seiten einig, dass der Rechtsstreit vor dem Gemeindegericht in Zagreb ausgetragen wird."
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe es unter Missachtung von Art. 10 des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens vom 24.11.1997 unterlassen, ihrer Anmeldepflicht zur deutschen Sozialversicherung nachzukommen. Sie habe seit 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in K ... Sie habe gegenüber der damaligen Generalkonsulin innerhalb von 6 Monaten nach Beschäftigungsbeginn mitgeteilt, dass sie in Deutschland sozialversicherungspflichtig sein wolle. Bei ordnungsgemäßer Anmeldung hätte sie Arbeitslosengeld i.H.v. 1.650 EUR für 15 Monate, also insgesamt i.H.v. 24.750 EUR erhalten. Unter Abzug des durch die Beklagte gezahlten Arbeitslosengeldes i.H.v. 4.900 EUR ergebe sich ein Anspruch von 19.850 EUR. Für die Zeit ihrer Beschäftigung vom 15.11.2005 bis zum 15.9.2009 würde ihr eine Rente i.H.v. 185 EUR zzgl. 45 EUR monatlich zustehen. Abzüglich des in Kroatien angelegten Betrags, der eine Zahlung von monatlich 22,23 EUR ergebe, verbleibe ein Betrag von 207,77 EUR monatlich, der ihr entgangen sei. Außerdem habe die Beklagte gegen § 28a SGB IV verstoßen, da sie die Klägerin bei der Sozialversicherung hätte anmelden müssen.
Die deutschen Gerichte seien gem. § 20 GVG für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, da es hier nicht um hoheitliches Handeln gehe.
Sie beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.850 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, 207,77 EUR monatlich ab dem Eintritt in die Rente namentlich dem 1.7.2020 bis zum Versterben der Klägerin zu zahlen, wobei die Zahlung im letzten Monat ihres Lebens anteilig nach Kalendertagen zu erfolgen hat.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und zukünftig noch entsteht, dass die Beklagte die Klägerin nicht bei der deutschen Sozialversicherung ...