Leitsatz (amtlich)
1. Die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit gem. §§ 18-20 GVG ist ein Verfahrenshindernis mit der Folge, dass ein Tätigwerden deutscher Gerichte gegenüber den von der deutschen Gerichtsbarkeit befreiten ausländischen Staaten im Rahmen von deren hoheitlicher Tätigkeit grundsätzlich unzulässig ist (Staatenimmunität).
2. Bei einem Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiter mit einem ausländischen Staat ist von hoheitlicher Tätigkeit in diesem Sinne auszugehen, wenn die Tätigkeit, die über das Arbeitsverhältnis ausgeübt werden sollen, hoheitlicher Natur sind. Unerheblich ist, welcher Rechtsnatur das Arbeitsverhältnis als solches ist.
3. Besteht ein Verfahrenshindernis, so ist unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis beendet ist.
4. Das deutsch-kroatische Abkommen über die soziale Sicherheit führt nicht zu einem Immunitätsverzicht der Partner dieses völkerrechtlichen Vertrags.
Normenkette
GVG §§ 18-20; SozSichAbk HRV Art. 10; SozSichAbk HRV Art. 11; SozSichAbk HRV Art. 29; SozSichAbk HRV Art. 34; WÜK Art. 5, 71; EuGVO Art. 18
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 26.02.2014; Aktenzeichen 2 O 172/11) |
Tenor
Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart - Einzelrichterin - vom 26.2.2014 durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme bis zum 14.11.2014 gesetzt.
Gründe
Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Es wird zur Vermeidung von weiteren Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigt sich die Gerichtsgebühr von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 KV zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt.
I. Die Klägerin macht wegen der Verletzung des Deutsch-kroatischen Sozialversicherungsvertrags Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte, die Republik Kroatien, geltend.
Die Klägerin, eine kroatische Staatsangehörige, war in Kroatien Lehrerin, bevor sie ab dem 1.9.2002 bis zum 1.9.2004 für das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und europäische Integration der Beklagten in deren Generalkonsulat in Stuttgart als Angestellte beschäftigt war. Als Leiterin für Kultur erhielt sie monatlich 1.450 EUR. Nach den Bedingungen des Anstellungsvertrages musste sich die Klägerin selbst um eine Sozialversicherung kümmern. Sie zahlte in Zagreb in eine private Rentenversicherung ein und war in Kroatien krankenversichert. Vom 15.1.2005 bis zum 15.6.2009 arbeitete die Klägerin erneut im Generalkonsulat in Stuttgart, jetzt als Konsulin erster Klasse, und erhielt ein Gehalt von 2.300 EUR monatlich. Sie verfügte über einen diplomatischen Pass und war hoheitlich für die Beklagte tätig.
In dem am 15.1.2005 zwischen den Parteien geschlossenen "Vertrag über die Einteilung der Vertragsdiplomatin auf bestimmte Zeit ins Ausland" (Anlage K 4, Bl. 14 d.A.) ist u.a. Folgendes geregelt:
In Art. 4:
"Der Vertragsdiplomatin steht das Recht auf Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge zu, deren Betrag nach der Komplexität der Arbeitsaufgaben ihrer Stelle als Diplomatin festgestellt wird, und zwar nach der Verordnung über die Bezeichnung der Arbeitsstelle und dem Koeffizienten der Komplexität der Arbeitsaufgaben im Staatsdienst (...)."
In Art. 8:
"Auf alle Rechte, Pflichten und Verantwortungen, die nicht in diesem Vertrag aufgezeichnet sind, werden die Verordnungen im Gesetz über auswärtige Angelegenheiten, im Gesetz über Staatsbeamte und Staatsangestellte, in der Vorschrift über Einkommen, Zuschläge und Vergütungen im Auslandsdienst und in der Geschäftsordnung über den Dienst im Ausland angewendet.
Alle Rechte, Pflichten und Verantwortungen, die der Vertragsdiplomatin zukommen, werden in einem amtlichen Beschluss angegeben."
In Art. 10:
"Im Falle eines Gerichtsverfahrens, sind sich beide Seiten einig, dass der Rechtsstreit vor dem Gemeindegericht in Zagreb ausgetragen wird."
Die Klägerin hat in I. Instanz die Rechtsauffassung vertreten, die Beklagte habe es unter Missachtung von Art. 10 des Deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens vom 24.11.1997 unterlassen, ihrer Anmeldepflicht zur deutschen Sozialversicherung nachzukommen. Sie habe seit 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in gehabt. Sie habe gegenüber der damaligen Generalkonsulin innerhalb von 6 Monaten nach Beschäftigungsbeginn mitgeteilt, dass sie in Deutschland sozialversicherungspflichtig sein wolle. Bei ordnungsgemäßer Anmeldung hätte sie Arbeitslosengeld i.H.v. 1.650 EUR für 15 Monate, also insgesamt i.H.v. 24.750 EUR erhalten. Unter Abzug des durch die Beklagte gezahlten Arbeitslosengeldes i.H.v. 4.900 EUR ergebe sich ein Anspruch von 19.850 EUR. Für die Zeit ihrer Besch...