Leitsatz (amtlich)
1. Auch nach In-Kraft-Treten von § 568 n.F. ZPO entscheidet über eine Beschwerde gem. § 11 AVAG der zuständige Senat des OLG als Senat. Einzelrichterzuständigkeit besteht nicht, da der in erster Instanz entscheidende Vorsitzende der Zivilkammer des LG nicht als Einzelrichter i.S.v. § 384 ZPO n.F., sondern kraft besonderer Zuständigkeitszuweisung auf der Grundlage innerstaatlich geltenden Abkommensrechts (EuGVÜ) bzw. unmittelbar geltenden EG-Verordnungsrechts (EuGVO) entscheidet.
2. Ist in einem in Österreich anhängig gemachten Zivilverfahren auf Antrag des Gläubigers „Versäumungsurteil” schon 12 Tage nach der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den im Inland wohnhaften Schuldner ergangen und hat sich der Schuldner nicht auf das Verfahren eingelassen, so steht der Vollstreckbarerklärung der österreichischen Entscheidung ungeachtet ihrer nach österreichischem Recht eingetretenen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit grundsätzlich das Anerkennungshindernis nicht rechtzeitiger Zustellung gem. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entgegen.
3. Ist im Verfahren der Vollstreckbarerklärung der Antrag des Gläubigers durch den Vorsitzenden der Zivilkammer in erster Instanz wegen Vorliegens des Anerkennungshindernisses gem. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ abgewiesen worden und erklärt im durch die Beschwerde des Gläubigers eingeleiteten Beschwerdeverfahren der Schuldner, er anerkenne seine Zahlungspflicht und wolle sich im Beschwerdeverfahren zwecks Vermeidung weiterer Kosten auf die zu geringe Einlassungsfrist im österreichischen Ausgangsverfahren nicht berufen, liegt darin in Ermangelung der prozessrechtlichen Voraussetzungen kein Anerkenntnis mit den Wirkungen des § 308 ZPO. Aufgrund des dem Schuldner möglichen Verzichts auf die Geltendmachung der Rüge zu kurzer Einlassungsfrist kann aber das Anerkennungshindernis entfallen, mit der Folge der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und der Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung.
Normenkette
ZPO § 348; AVAG § 3 ff., § 11–14; EuGVÜ §§ 27, 29, 31-32, 34, 37
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Aktenzeichen 6 O 128/02) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 6. Zivilkammer des LG Ravensburg v. 22.5.2002 – 6 O 128/02 – geändert.
2. Auf den Antrag der Antragstellerin wird das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Innsbruck v. 11.10.1999 – 16 C 1040/99 s –, wonach die Antragsgegnerin verpflichtet ist, der Antragstellerin „den Betrag von 99.179,01 ATS zzgl. 13,75 % Zinsen aus 96.296,01 ATS ab 11.6.1999 und aus 2.910 ATS ab 14.6.1999, welche zum Ende des Kalendervierteljahres zum Kapital zu schlagen sind, wobei der sich dabei ergebende Betrag die Basis für den weiteren Zinslauf bildet,” zu bezahlen und Prozesskosten i.H.v. 9.000,24 ATS zu leisten, für im Inland vollstreckbar erklärt. Klauselerteilung wird insoweit angeordnet.
3. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
4. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Wert des Beschwerdeverfahrens: Wie erstinstanzlich 99.179,01 ATS = 7.861,69 Euro.
Gründe
I. Die Antragstellerin (Ast.), eine österreichische Sparkasse in der Rechtsform der Aktiengesellschaft österreichischen Rechts, hat beim Bezirksgericht Innsbruck/Österreich das Versäumungsurteil vom 11.10.1999 – 16 C 1040/99 s – erlangt, mit dem die Antragsgegnerin (Ag.), eine österreichische Staatsangehörige mit inländischem Wohnsitz, zur Zahlung von 99.179,01 ATS zzgl. Zinsen (s.o. Punkt 2 des Tenors dieses Beschlusses) verurteilt worden ist. Gemäß Amtsbestätigung des Bezirksgerichts Innsbruck vom 27.3.2002 ist das Urteil seit 22.12.1999 rechtskräftig und vollstreckbar. Die Ast. erstrebt imvorliegenden Verfahren Vollstreckbarerklärung und Klauselerteilung für das Inland. Ihr diesbezüglicher Antrag ist durch den Vorsitzenden der 6. Zivilkammer des LG Ravensburg mit Beschl. v. 22.5.2002 – 6 O 128/02 – zurückgewiesen worden, da das österreichische Versäumnisurteil im Inland mangels rechtzeitiger Zustellung der verfahrenseinleitenden Schrift an die Ag. nicht anerkennungsfähig sei.
Gegen diesen ihr am 27.5.2002 zugestellten Beschluss hat die Ast. am 8.6.2002 Beschwerde beim OLG Stuttgart eingelegt und diese in der Beschwerdeschrift zugleich auch begründet. Sie trägt damit im Wesentlichen vor, im vorliegenden Fall sei die der Ag. zwischen Zustellung der verfahrenseinleitenden Schrift und Erlass des Versäumnisurteils verfügbare Frist von 12 Tagen nach dem insoweit maßgeblichen österreichischen Recht noch knapp ausreichend gewesen, so dass das Versäumnisurteil im Inland Anerkennung finden könne. Im Übrigen bestreite die Ag. ihre Zahlungsverpflichtung auch nicht. Die Ast. beantragt demgemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des LG Ravensburg das Versäumnisurteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 11.10.1999 – 16 C 1040/99 s – mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Die Ag. ist der Beschwerde nicht entgegengetreten. Sie hat sich im Verfahren vor dem Senat schriftlich so geäußert, sie beantrage „die Anerkennung ...