Entscheidungsstichwort (Thema)
Europäischer Vollstreckungstitel und Anerkennung ausländ. Entscheidungen nach EuGVO
Leitsatz (amtlich)
1. Es besteht ein Wahlrecht zwischen den Vollstreckungssystemen nach der EuVTVO und der EuGVO.
2. Besteht ein Europäischer Vollstreckungstitel, so fehlt es daneben für eine Vollstreckbarerklärung nach der EuGVO am Rechtsschutzbedürfnis.
3. Eine fehlerhafte Parteibezeichnung ist der Auslegung zugänglich und stellt dann ggf. keinen Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 1 EuGVO dar.
Normenkette
EuGVO Art. 34-35, 38, 45, 54; EuVTV Art. 5; EuVTV Art. 21; EuVTV Art. 27; AVAG §§ 11-12
Verfahrensgang
LG Rottweil (Beschluss vom 12.09.2008; Aktenzeichen 3 O 250/08) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des LG Rottweil vom 12.9.2008 - 3 O 250/08 - abgeändert und der Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung für das Urteil des Bezirksgerichts in Opole (Oppeln/Polen) vom 29.5.2007 - Az.: V GC 2082/01 - abgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.1. Die Antragsgegnerin (in der Folge: Ag.) hat ihren Wohnsitz im Inland und stellt Büromöbel her. Die Antragstellerin (in der Folge: Ast.) hat ihren Firmensitz in Polen und fertigte Polster für die Ag.
2. Durch Versäumnisurteil vom 24.10.2002 der V. Wirtschaftskammer des Bezirksgerichts in Opole (Oppeln/Polen) (Az.: V GC 2082/01) wurde die Ag. verurteilt, an die Ast. den Betrag von 22.969,53 Zloty samt gesetzlicher Zinsen ab dem 1.8.2000 sowie den Betrag von 10.645,90 Zloty als Rückerstattung der Prozesskosten, darunter 8.015 Zloty als Erstattung der Kosten für die prozessuale Vertretung, zu bezahlen.
3. Mit Urteil vom 29.5.2007 der V. Wirtschaftskammer des Bezirksgerichts in Opole (Az.: V GC 1396/04) wurde das Versäumnisurteil vom 24.10.2002 (Az.: V GC 2082/01) in Höhe des Betrags von 22.962,85 Zloty nebst den gesetzlichen Zinsen vom 1.8.2000 bis zum Zahlungstag aufrechterhalten wird. Zugleich wurde der offensichtliche Schreibfehler bei der Firmenbezeichnung der beklagten Partei wie folgt korrigiert: anstelle der im Versäumnisurteil eingetragenen fehlerhaften Bezeichnung R. GmbH mit Sitz in L. wurden die Worte eingetragen: V. GmbH mit Sitz in L. Die Ag. wurde zudem verurteilt, den Betrag von 16.980,26 Zloty als Rückerstattung der Prozesskosten, davon 12.215 Zloty als Erstattung der Kosten für die prozessuale Vertretung, an die Ast. zu bezahlen.
4. Die Berufung der Ag. wurde durch Urteil des Bezirksgerichts Opole vom 28.9.2007 (Az.: VI Ga 106/07) abgewiesen und die Ag. verurteilt, an die Ast. den Betrag von 1.200 Zloty als Erstattung der Kosten für die prozessuale Vertretung in der II. Instanz zu zahlen.
5. Die Ast. begehrt für das Urteil des Bezirksgerichts Opole vom 29.5.2007 (Az.: V GC 1396/04) Vollstreckbarerklärung und Klauselerteilung für das Inland. Auf ihren Antrag vom 1.9.2008 hat der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des LG Rottweil mit Beschluss vom 12.9.2008 - 3 O 250/08 - die polnische Entscheidung für im Inland vollstreckbar erklärt und Klauselerteilung für das Inland angeordnet.
6. Die Ag. hat gegen den ihr am 22.9.2008 zugestellten landgerichtlichen Beschluss am 15.10.2008 Beschwerde eingelegt, die sie nochmals mit Schriftsatz vom 16.12.2008 näher begründet hat.
Die Ag. beantragt:
Den Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel hinsichtlich des Urteils des Bezirksgerichts Opole (Republik Polen) vom 29.5.2007 (Az.: V 3C 1396/04) zurückzuweisen.
Zur Begründung des Antrags führt die Ag. im Wesentlichen an, das polnische Gericht sei für die ergangene Entscheidung nicht zuständig gewesen, da der Erfolgsort in Deutschland liege und dementsprechend auch in den AGB ein inländischer Gerichtsstand vereinbart worden sei. Weder sei die Ast. aktivlegitimiert, da sie sich im Insolvenz- oder bereits Liquidationsverfahren befinde, noch sei im Ausgangsverfahren die richtige Beklagte verurteilt worden, da die im Versäumnisurteil beklagte Firma R. GmbH nicht existiere. Zudem sei der Ag. mangels ordnungsgemäßer Zustellung des verfahrenseinleitenden und anderer Schriftstücke sowie in Ermangelung der notwendigen Übersetzungen in die deutsche Sprache kein hinreichendes rechtliches Gehör im Verfahren gewährt worden und daher das Urteil nicht nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ergangen. Unbestrittene Forderungen lägen keine vor und die Forderungen der Ag. überstiegen mögliche Forderungen der Ast. bei weitem.
7. Mit Schriftsatz vom 28.11.2008 hat die Ast. auf die Beschwerde der Ag. erwidert. Die Ast. ist im Wesentlichen der Auffassung, die Zuständigkeit polnischer Gerichte sei gegeben gewesen und der Ag. sei durch Anhörung ihres Geschäftsführers vor dem AG Freudenstadt am 8.12.2006 und Vertretung durch einen polnischen Anwalt im gesamten Verfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.
II. Die Beschwerde der Ag. ist zulässig und begründet.
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt aus §§ 11 ff...