Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 20.07.1998; Aktenzeichen 15 OH 6/98) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 20.07.1998 - 15 OH 6/98 - abgeändert:
Im Wege der Beweissicherung wird die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu folgenden Behauptungen des Antragstellers angeordnet:
1.
Bei der zahnmedizinischen Behandlung des Antragstellers im K. in S. im Zeitraum zwischen 29.02.1996 und 27.12.1996 ist gegen anerkannte Regeln der zahnmedizinischen Heilkunst verstoßen worden.
2.
Fehlerhaft war insbesondere die Implantateinsetzung, indem
a)
eine Befestigungsschraube das obere Knochendach des canalis mandibulae durchdrang;
b)
der Verlauf der Nervenkanäle nicht zweifelsfrei im vorhinein bestimmt wurde, so daß durch Implantat oder Befestigungsschrauben eine Nervberührung eintrat;
c)
ein Implantat die Außenkortikalis im Bereich des Zahnes 44 perforierte.
3.
Kunstfehlerhaft war ferner der langwierige Versuch, durch Verabreichung starker Medikamente die Implantate zu retten, nachdem der Antragsteller im Anschluß an die Implantation über heftige Schmerzen klagte. Wären die Implantate schneller entfernt worden, wären dem Antragsteller wochenlange unnötige Schmerzen erspart geblieben.
4.
Es ist kunstfehlerhaft, daß die Ursache der beim Antragsteller aufgetretenen Schmerzen nicht computertomographisch abgeklärt worden ist.
5.
Der Kieferzustand des Antragsteilers war nach Abschluß der Behandlung im K. schlechter als zuvor, so daß sich die Aussichten auf eine erfolgreiche Behebung seines Leidens durch die Behandlung letztlich verschlechtert haben.
II.
Die Auswahl des Sachverständigen bleibt dem Landgericht überlassen.
Gründe
I.
Das nach § 567 Abs. 1 ZPO zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist begründet.
1.
Dahinstehen kann, ob der Antrag schon wegen der Gefahr, daß das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird, nach § 485 Abs. 1 ZPO zulässig ist.
2.
Der Antragsteller hat jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO. Ein rechtliches Interesse ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Von einer solchen Fallgestaltung ist vorliegend auszugehen. Zwar hat die Antragsgegnerin erklärt, sich einem ihr nachteiligen Gutachten nicht beugen zu wollen. Der Antragsteller hat aber dargetan, von der Durchführung eines Rechtsstreits absehen zu wollen, wenn das Beweisverfahren ein für ihn ungünstiges Ergebnis bringen sollte. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses, da hierfür bereits die Möglichkeit ausreicht, daß durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens ein Rechtsstreit vermieden wird.
Die Gefahr, daß ein Sachverständiger im selbständigen Beweisverfahren sein Gutachten auf ungesicherter tatsächlicher Grundlage erstellt sowie der Umstand, daß die Fragen einseitig vom Antragsteller formuliert sind, sind keine Besonderheiten des Arzthaftpflichtprozesses, die es rechtfertigen würden, gerade in Arzthaftpflichtfällen das rechtliche Interesse regelmäßig zu verneinen (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 18.09.1995 - 8 W 23/95 - = MDR 1996, 132; Mohr, MedR 1996, 454 ff; zu einem Ausnahmefall vgl. OLG Nürnberg MDR 1997, 501; a.A. OLG Köln, Beschluß vom 21.08.1997 - 5 W 57/97 - = MDR 1998, 224; Rehborn, MDR 1998, 16 ff). Vielmehr liegt nahe, daß der Patient, der den Verdacht hat, sein gesundheitliches Leiden beruhe auf einem behandlungsfehlerhaften Vorgehen eines Arztes, ein berechtigtes Interesse daran hat, sich hierüber durch ein Sachverständigengutachten Gewißheit zu verschaffen. Stellt sich heraus, daß ein ärztlicher Behandlungsfehler nicht gegeben ist, dient dies nicht nur der Beruhigung des Patienten, sondern auch dem Rechtsfrieden, da in diesem Fall eine zunächst beabsichtigte Klage möglicherweise nicht erhoben wird. So ist es vorliegend. Das nach § 485 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse ist daher anzunehmen.
II.
Die Entscheidung über die Person des Sachverständigen bleibt dem Landgericht überlassen, das hierbei nicht an die Benennung durch den Antragsteller gebunden ist, sondern die Auswahl des Sachverständigen nach Maßgabe des § 404 ZPO trifft (§ 492 Abs. 1 ZPO; vgl. auch Zöller-Herget, ZPO, 20. Aufl., § 487 Rn. 5).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 3030557 |
NJW 1999, 874 |
NJW 1999, 874-875 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1999, 482 |
MDR 1999, 482 (Volltext mit amtl. LS) |
VersR 1999, 1018 |
VersR 1999, 1018 (Volltext) |
OLGR-KS 1999, 62 |