Leitsatz (amtlich)
Vorlage an den EuGH zu der Frage, ob geschäftswertabhängige, nicht aufwandsbezogene Beurkundungsgebühren nach der KostO, die ein württembergischer Amtsnotar im gegenständlichen Bereich der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital i.d.F. der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.6.1985 erhebt, für die Zeit des Übergangsrechts vom 1.6.2002 bis 31.12.2005 gem. dem Gesetz zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 28.7.2005 (GBl., 580) nach der Richtlinie unzulässige Steuererhebungen sind, auch wenn dem Amtsnotar für solche Beurkundungen die Gebühren mit Ausnahme einer pauschalen Aufwandsentschädigung von 15 % an die Staatskasse verbleiben und für diesen Zeitraum die Abführung für andere Beurkundungen unverändert geblieben ist.
Normenkette
RL 69/335/EWG; KostO §§ 47, 143; LJKG-Ba.-Wü. § 11 Abs. 1 n.F.
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Aktenzeichen 3 T 10-12/04) |
Tenor
Der Senat legt die Verfahren dem EuGH gem. Art. 234 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts mit folgender Frage vor:
Ist die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital i.d.F. der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.6.1985 dahin auszulegen, dass die Gebühren, die ein beamteter Notar für die notarielle Beurkundung eines unter diese Richtlinie in der geänderten Fassung fallenden Rechtsgeschäftes erhebt, Steuern i.S.d. Richtlinie sind, wenn nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften einerseits auch beamtete Notare als Notare tätig werden können und diese selbst Gläubiger der betreffenden Gebühren sind und andererseits die beamteten Notare zwar von den Beurkundungsgebühren in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten, die unter diese Richtlinie fallen, lediglich eine pauschale Aufwandsentschädigung i.H.v. 15 % dieser Gebühren an die Staatskasse abzuführen haben, aber für andere Tätigkeiten über eine (pauschale) Aufwandsentschädigung hinaus Gebühren an die Staatskasse abzuführen haben, die der Staat zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet.
Gründe
1. Der Kostengläubiger, ein württembergischer Amtsnotar, beurkundete am 21.6.2002, 5.7.2002 und 26.6.2002 Beschlüsse über Verschmelzungen von eingetragenen Genossenschaften. Hierfür stellte der Amtsnotar mit Kostenrechnungen vom 26.7.2002 EUR 5.883,90 EUR 5.875,13 und weitere 5.876,39 EUR in Rechnung, bestehend jeweils aus einer Beurkundungsgebühr gem. § 47 KostO sowie pauschale Zusatzgebühren für die Beurkundungen außerhalb der Gerichtsstelle und nach 18.00 Uhr, Reisekosten und sonstige Auslagen jeweils zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer.
2. Gegen diese Kostenrechnungen hat die Kostenschuldnerin unter Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht Beschwerden eingelegt, auf die hin das LG Ellwangen jeweils mit Beschl. v. 17.10.2005 die Kostenrechnungen unter Hinweis auf die Entscheidungen des EuGH vom 30.6.2005 und vom 21.3.2002 (EuGH v. 30.6.2005 - Rs. C-165/03 - Längst; v. 21.3.2002 - Rs. C-264/00, GmbHR 2002, 486 - Gründerzentrum) aufgehoben und die Verfahren dem Kostengläubiger zur aufwandsbezogenen Neuberechnung zurückgegeben hat. Dagegen wenden sich die weiteren Beschwerden des Kostengläubigers.
3. Gemäß § 13 Abs. 3 S. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) vom 28.10.1994 (BGBl. I, 3210, bereinigt 1995 I, 428) in der zum Zeitpunkt der Beurkundungen gültigen Fassung bedurften die Verschmelzungsbeschlüsse der notariellen Beurkundung. Da die an den beurkundeten Verschmelzungsverträgen beteiligten eingetragenen Genossenschaften gem. § 1 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (GenG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19.8.1994 (BGBl. I, 2202) die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder bezwecken, fallen eingetragene Genossenschaften und damit die hier beurkundeten Verschmelzungsbeschlüsse in den Anwendungsbereich der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital i.d.F. der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.6.1985 (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.9.2005 - 8 W 397/05, OLGReport Stuttgart 2005, 904 = RPflG 2006, 46, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v. 13.2.1996 - Rs. C-197/04; Rs. C-252/94, ABl. EG 1996, Nr. C. 133, 3-4) stellen Verschmelzungen Erhöhungen des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Buchst. c) Richtlinie 69/335 dar, wenn eine oder mehrere Kapitalgesellschaften ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen in eine oder mehrere Kapitalgesellschaften einbringen, die gegründet werden oder bereits bestehen (EuGH Rs. C-252/94, ABl. EG 1996, Nr. C. 133, 3-4, Rz. 34). Der Verschmelzung der Genossenschaften liegt ein Vorgang zugrunde, der hier in der Erhöhung des Kapitals der übernehmenden Gesellschaft durch die Einbringung des gesamten Vermögens der übernommenen Gesellschaft besteht; darüber hinaus ist ...