Leitsatz (amtlich)

Geschäftswertabhängige, nicht aufwandsbezogene Beurkundungsgebühren nach der KostO, die ein württembergischer Amtsnotar im gegenständlichen Bereich der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital i.d.F. der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.6.1985 nach §§ 12 Abs. 1 S. 2, 14 LJKG a.F. erhebt, sind eine nach der Richtlinie unzulässige Steuererhebung (EuGH v. 30.6.2005 - Rs. C-165/03, EuZW 2005, 501). 2. Richtlinienwidrig erhobene Steuern sind nach dem nationalen Recht zu erstatten. Nach dem Schutzzweck der Richtlinie stellt jedoch die betroffene Kostenvorschrift (hier: § 47 KostO) weiterhin die Rechtsgrundlage für eine aufwandsbezogene Gebühr dar, die nach Aufhebung der alten Kostenrechnung neu angesetzt werden kann.

 

Normenkette

RL 69/335/EWG; KostO §§ 47, 143; LJKG-BW § 12 Abs. 1 S. 2 a.F., § 14 a.F.; LFGG-BW § 3 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Beschluss vom 08.07.2005; Aktenzeichen 3 T 77/04)

 

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Kostengläubigers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Ravensburg vom 8.7.2005 wird zurückgewiesen und der weitere Antrag des Kostengläubigers wird abgewiesen.

2. Der Kostengläubiger trägt die durch die Zurückweisung seiner weiteren Beschwerde angefallenen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Beschwerdewert: 9.761,42 EUR.

 

Gründe

I. Der Kostengläubiger, ein württembergischer Amtsnotar, beurkundete am 11.5.1999 den in der Generalversammlung gefassten Beschluss über die Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften. Hierfür stellte er mit Kostenrechnung vom 17.5.1999 gem. § 47 KostO 10.000 DM, insgesamt zzgl. Schreibauslagen, Auswärtsgebühr, Nachtzulage und Umsatzsteuer 11.756,60 DM in Rechnung, die am 21.5.1999 beglichen wurden.

Am 17.12.2004 reichte die Beteiligte 2 beim LG Ravensburg Beschwerde gegen die Kostenrechnung ein, weil die Gebührenerhebung gegen Europäisches Recht verstoße.

Im Einverständnis aller Beteiligten ordnete das LG Ravensburg mit Beschl. v. 11.2.2005 bis zur Entscheidung des EuGH auf den Vorlagebeschluss des LG Stuttgart vom 7.4.2003 das Ruhen des Verfahrens an. Nach der Entscheidung des EuGH vom 30.6.2005 (EuGH v. 30.6.2005 - Rs. C-165/03 - Längst, EuZW 2005, 501) wurde die Kostenrechnung vom 17.5.1999 durch Beschluss des LG Ravensburg vom 8.7.2005 insoweit aufgehoben, als darin gem. § 47 KostO eine Gebühr i.H.v. 10.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht wurde, und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Kostenansatz zurückgegeben. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Die Gebühr für die Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses verstoße gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rats vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf Ansammlung von Kapital (im Folgenden: Richtlinie 69/335), weil auch die Gebühren eines beamteten Notars für die notarielle Beurkundung eines unter die Richtlinie fallenden Rechtsgeschäfts eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellten. Wegen der Europarechtswidrigkeit der angesetzten Gebühr sei die Kostenrechnung insoweit aufzuheben und zur Berechnung der im Einklang mit der Richtlinie stehenden Gebühr an den Kostengläubiger zurückzugeben.

Die Gebühr für Schreibauslagen hätte nicht den Charakter einer Steuer im Sinn der Richtlinie, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass diese nicht dem erforderlichen Aufwand entspräche. Die Auswärts- und Nachtgebühr unterfielen nicht der Richtlinie, weil die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes ein auswärtiges Tätigwerden des Notars in den Abendstunden nicht vorschreiben und diesen Gebühren deshalb eine freiwillige Inanspruchnahme der Dienste des Notars zugrunde liege.

Die weitere Beschwerde wurde zugelassen.

Gegen den dem Kostengläubiger am 20.7.2005 zugestellten Beschluss hat dieser am 16.8.2005 die weitere Beschwerde eingelegt. Anders als im badischen Rechtsgebiet müssten im württembergischen Rechtsgebiet von den Amtsnotaren Beurkundungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 69/335 nicht aufwandsbezogen abgerechnet werden, sondern es entfalle im württembergischen Rechtsgebiet die in § 14 LJKG geregelte Verpflichtung des Amtsnotars, für solche Beurkundungen einen Gebührenanteil an die Staatskasse abzuliefern. Soweit die Gebühr für solche Beurkundungen den Aufwand des beamteten Notars übersteige und wegen der Richtlinie 69/335 nicht dem Land zufließen dürfe, gebühre sie dem Notar. Dies verdeutliche auch die Neufassung des Landesjustizkostengesetzes.

Der Kostengläubiger beantragt nunmehr, den angegriffenen Beschluss des LG Ravensburg aufzuheben und die Beschwerde der Kostenschuldnerin als unbegründet zurückzuweisen. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass ihm ein Rückforderungsanspruch gegen die Staatskasse insoweit zustehe, als die zur Staatskasse vereinnahmten Staatsanteile und Kürzungsbeträge den für die Beurkundung entstandenen tatsächlichen Aufwand des Landes übersteigen. Hilfsweise erhebt der Kos...

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