Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung einer anderen Person zu einer straflosen Selbstbezichtigung bezüglich einer Ordnungswidrigkeit ist - ohne Hinzutreten weiterer, eine Tatherrschaft begründender Umstände - mangels teilnahmefähiger Haupttat als straflose Anstiftung und nicht als falsche Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB in mittelbarer Täterschaft zu qualifizieren (im Anschluss an LG Heilbronn, Beschluss vom 9. März 2017, 8 KLs 24 Js 28058/15, StraFo 2017, 118; entgegen OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2015, 2 Ss 94/15, ZfSch 2016, 47).
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Entscheidung vom 09.03.2017; Aktenzeichen 8 KLs 24 Js 28058/15) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Heilbronn gegen den Beschluss des Landgerichts - 8. Große Strafkammer - Heilbronn vom 9. März 2017 wird als unbegründet
verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Angeschuldigte ist Fachanwalt für Strafrecht mit Kanzleisitz in H. und bundesweit insbesondere auf dem Gebiet des Ordnungswidrigkeiten- und Fahrerlaubnisrechts tätig.
Zunächst erhob die Staatsanwaltschaft Heilbronn gegen den Angeschuldigten vor dem Amtsgericht Heilbronn unter dem 10. Oktober 2016 und nach Rücknahme dieser Anklage am 12. Januar 2017 vor dem Landgericht Heilbronn Anklage; sie wirft dem Angeschuldigten Anstiftung zur falschen Verdächtigung, diese begangen in mittelbarer Täterschaft, in zwei tatmehrheitlichen Fällen gemäß §§ 164 Abs. 2 und Abs. 1, 25 Abs. 1 2. Alt., 26, 53 StGB vor.
Der Angeschuldigte soll in zwei Fällen im Dezember 2011 bzw. Dezember 2012 aufgrund rechtlicher Beratung zwei Mandanten, die Täterin bzw. Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit waren, jeweils veranlasst haben, zusammen mit einer an der Ordnungswidrigkeit unbeteiligten, ihnen ähnlich sehenden Person die Bußgeldbehörde dadurch bewusst in die Irre zu führen, dass sich die weitere Person auf dem Zeugenfragebogen der Bußgeldbehörde selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigte. Damit sollte erreicht werden, dass das Bußgeldverfahren zunächst gegen die angebliche Fahrzeugführerin (Fall 1 der Anklage) bzw. den angeblichen Fahrzeugführer (Fall 2) geführt würde und das Verfahren sodann, nach Einlegung von Einspruch gegen den Bußgeldbescheid über den Angeschuldigten beim Amtsgericht unter Angabe des wahren Fahrzeugführers, eingestellt bzw. ein Freispruch erfolgen würde. In der Zwischenzeit sollte das Verfahren gegen den tatsächlichen Fahrzeugführer verjährt sein, so dass die Mandanten des Angeschuldigten diesbezüglich nicht mehr verfolgt werden konnten.
Die Verurteilung der Fahrzeugführerin im ersten Fall durch das Amtsgericht Esslingen am 24. Februar 2014 (5 Ds 73 Js 29625/12) wegen falscher Verdächtigung wurde vom Oberlandesgericht Stuttgart auf deren Revision hin bestätigt, wobei das Oberlandesgericht von der Begehungsweise der mittelbaren Täterschaft ausging, nachdem das Landgericht Stuttgart in seinem Berufungsurteil vom 5. September 2014 (38 Ns 73 Js 29625/12) die Fahrerin als Mittäterin eingestuft hatte (OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. August 2015 - 2 Ss 822/14); die angebliche Fahrerin wurde vom Landgericht Stuttgart auf ihre Berufung hin lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit der falschen Namensangabe zu einer Geldbuße verurteilt, nachdem das Amtsgericht Esslingen sie wegen Beihilfe zur falschen Verdächtigung zu einer Geldstrafe verurteilt hatte.
Im zweiten Fall wurden die Verfahren gegen den angeblichen Fahrzeugführer und den tatsächlichen Fahrer in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Esslingen (5 Ds 73 Js 54119/13) am 4. März 2016 zunächst vorläufig gemäß § 153a Abs. 2 StPO und am 22. März 2016 bzw. 19. Mai 2016 sodann jeweils endgültig eingestellt.
Die 8. Große Strafkammer des Landgerichts Heilbronn hat mit Beschluss vom 9. März 2017 (8 KLs 24 Js 28058/15, [...]) die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt; die Strafkammer ist der Auffassung, dass die in der Anklageschrift behaupteten Lebenssachverhalte weder die tatbestandliche Voraussetzungen einer Strafnorm erfüllten noch als Ordnungswidrigkeiten zu qualifizieren seien; es fehle jeweils an der für eine Anstiftung seitens des Angeschuldigten erforderlichen Haupttat.
Damit widerspricht das Landgericht Heilbronn der dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 (2 Ss 94/15; bestätigt in dem genannten Beschluss vom 6. August 2015 - 2 Ss 822/14) zugrunde liegenden Rechtsauffassung; dort hat der 2. Strafsenat in einem vergleichbaren Fall die Auffassung vertreten, dass sich der tatsächliche Fahrer als mittelbarer Täter des § 164 Abs. 2 StGB und der sich zu Unrecht als Fahrer Bezichtigende der Beihilfe hierzu strafbar gemacht haben.
Gegen diese, am 13. März 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 14. März 2017, eingegangen beim Landgericht Heilbronn am selben Tag. Mit ihrem Rechtsmittel, das näher begründet ist und sich...