Leitsatz (amtlich)
Eine fiktive Person ist kein "anderer" im Sinne des § 164 StGB. Zur Frage der falschen Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft gemäß § 164, § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB beim Ausfüllen eines Anhörungsbogens durch einen Dritten in einem Bußgeldverfahren (Bestätigung von OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. April 2017 - 1 Ws 42/17, NJW 2017, 1971 Rn. 18 ff.; Ablehnung von OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2015 - 2 Ss 94/15, juris Rn. 8).
Normenkette
StGB § 164 Abs. 1, § 25 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Tübingen (Entscheidung vom 10.07.2017; Aktenzeichen 24 Ns 24 Js 23198/16) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft Tübingen gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 10. Juli 2017 wird als unbegründet
verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
Nachdem das Amtsgericht Reutlingen den Angeklagten in erster Instanz wegen falscher Verdächtigung verurteilt hatte, hat ihn das Landgericht Tübingen in der Berufungsinstanz freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das zulässige Rechtsmittel bleibt erfolglos.
I.
Die Strafkammer hat im wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte fuhr am 23. Juni 2015 um 20:36 Uhr mit einem PKW auf der B 27 von Walddorfhäslach in Richtung Tübingen, wobei er, wie er zumindest billigend in Kauf nahm, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 58 km/h überschritt. Deswegen verwirkte er ein Bußgeld von 480 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot.
Nachdem das für die Verfolgung der bezeichneten Ordnungswidrigkeit zuständige Landratsamt Reutlingen dem Angeklagten unter dem 4. August 2015 einen Anhörungsbogen zugesandt hatte, machte sich der Angeklagte auf einer näher bezeichneten Internetseite über Möglichkeiten kundig, wegen der Ordnungswidrigkeit nicht belangt zu werden. Die Internetseite enthielt auf der Einstiegsseite das prominent platzierte Versprechen: "Ich übernehme Ihre Punkte und Ihr Fahrverbot für Sie". Der Angeklagte setzte sich in der Folge mit einer unter dem Namen "..." handelnden Person über die auf der Internetseite mitgeteilten Kontaktdaten in Verbindung.
Gemäß der gemeinsamen Absprache ließ der Angeklagte der Person sodann per E-Mail das betreffende Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde zukommen und überwies ihr im Gegenzug 1.000 Euro auf ein Schweizer Bankkonto. Im weiteren Verlauf füllte eine andere Person als der Angeklagte den Anhörungsbogen unter dem Datum 17. August 2015 handschriftlich aus, gab den Verstoß zu und erklärte, sie sei der zur Tatzeit verantwortliche Fahrzeugführer, wobei sie angab, die tatsächlich nicht existierende Person "..." zu sein.
Das Landratsamt leitete daraufhin am 22. September 2015 ein Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen "..." ein und erließ einen entsprechenden Bußgeldbescheid. Zugleich stellte es das Verfahren gegen den Angeklagten ein. Bis das Landratsamt vom Polizeirevier Karlsruhe-Marktplatz am 6. Juli 2016 darüber unterrichtet wurde, dass es einen "..." tatsächlich nicht gibt, war bereits Verfolgungsverjährung hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen Ordnungswidrigkeit eingetreten, so dass der Angeklagte, wie es sein Ziel gewesen und ihm versprochen worden war, deswegen endgültig nicht mehr belangt werden konnte.
2. Die Strafkammer hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Der Angeklagte habe sich nicht wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2, § 25 Abs. 1 Fall 2 StGB strafbar gemacht. Die falsche Verdächtigung müsse sich gegen eine bestimmte oder zumindest bestimmbare existierende andere Person richten; Anzeigen gegen erfundene Personen seien nicht tatbestandsmäßig, wie bereits das Reichsgericht entschieden habe. Der Bundesgerichtshof habe vergleichbar entschieden, dass eine falsche Anschuldigung gegenüber einer bereits verstorbenen Person tatbestandslos sei. Diese Sichtweise entspreche auch der ganz einhelligen Meinung in der Literatur. Nach dem festgestellten Sachverhalt handele es sich bei der im Anhörungsbogen genannten Person "..." um eine real nicht existierende und auch nicht bestimmbare Person. Die Frage der mittelbaren Täterschaft könne deshalb dahinstehen. § 164 StGB bezwecke neben dem Schutz der Behörden vor Irreführung den Schutz Unschuldiger vor unberechtigten Verfolgungsverfahren. Dieser Schutzzweck sei nicht berührt, wenn eine nicht existente Person verdächtigt werde.
II.
Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte nicht wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
a) Zwar ist die Behauptung im Anhörungsbogen der Bußgeldbehörde, Führer des genannten Kraftfahrzeuges zum Zeitpunkt der Ordnungswidrigkeit sei "..." mit der genannten Adresse gewesen, wider besseres Wissen gegenüber einer Behörde erfolgt und geeignet, ein behördliches Verfahren im Sinne des § 164 Abs. 2 StGB, nämlich ein Bußgeldverfahren (Zopfs ...