Leitsatz (amtlich)

Der Beschluss, mit dem einem Sachverständigen der Gutachtenauftrag entzogen wird, kann von diesem nicht mit der sofortigen Beschwerde angriffen werden. Lässt ein vom Gericht mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragter Sachverständiger nicht nur die von ihm selber mitgeteilten Termine zur Vorlage des Gutachtens verstreichen, sondern reagiert er auch auf mehrere Fristsetzungen des Gerichts zur Vorlage des Gutachtens nicht, kann das Gericht ihm den Gutachtenauftrag entziehen, um einen anderen Sachverständigen zu beauftragen, und ihm die durch sein Untätigbleiben verursachten Kosten in entsprechender Anwendung des § 409 Abs. 1 S. 1 ZPO auferlegen.

 

Normenkette

ZPO § 404 Abs. 1, § 409Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 17.02.2017; Aktenzeichen 14 O 482/14)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Sachverständigen gegen die Entziehung des Gutachtenauftrags im Beschluss des LG Stuttgart vom 17.02.2017, Az. 14 O 482/14, wird verworfen. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Der Sachverständige trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

1. Der Sachverständige, der gemäß Beweisbeschluss vom 26.10.2015 ein schriftliches Sachverständigengutachten erstatten sollte, wendet sich mit seiner am 27.2.2017 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.2.2017, durch welchen ihm der Auftrag zur Erstellung des Gutachtens entzogen wurde und ihm die durch seine Weigerung der Gutachtenerstattung verursachten Kosten auferlegt wurden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Beschluss des LG vom 17.2.2017 verwiesen.

Zusammen mit seiner sofortigen Beschwerde legte der Sachverständige, der sich gegen die Feststellung wendet, er weigere sich, den Gutachtenauftrag zu erfüllen, ein auf den 31.1.2017 datiertes schriftliches Sachverständigengutachten in dreifacher Ausfertigung vor, das allerdings vom LG nicht an die Parteien übersandt worden ist.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 22.3.2017 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die sofortige Beschwerde des Sachverständigen ist nicht zulässig, soweit sie sich gegen die Entziehung des Gutachtenauftrags richtet (Ziff. 1 des Beschlusses vom 17.2.2017).

Die Befugnis des LG, dem Sachverständigen den Auftrag zur Erstellung des Gutachtens zu entziehen, ergibt sich aus §§ 404 Abs. 1 S. 4, 360 ZPO. Die Auswahl des Sachverständigen erfolgt durch das Prozessgericht, § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO. Es kann anstelle des zuerst ernannten Sachverständigen einen anderen Sachverständigen ernennen. Als verfahrensleitende Anordnung kann weder der Beweisbeschluss noch dessen nachträgliche Änderung isoliert angefochten werden. Die Anfechtung eines Beweisbeschlusses ist gemäß dem in § 355 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken ausgeschlossen. Für nachträgliche Anordnungen des Prozessgerichts, die eine Änderung oder Ergänzung des Beweisbeschlusses zum Gegenstand haben, gilt nichts anderes, weil der Ausschluss einer selbstständigen Anfechtung der Beweisanordnung grundsätzlich keine Verkürzung der Rechte der Parteien zur Folge hat (BGH, Beschluss vom 18.12.2008 - I ZB 118/07, NJW-RR 2009, 995, juris Rn. 9). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine Partei dann nicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Endentscheidung verwiesen werden, wenn bereits die Zwischenentscheidung für sie einen bleibenden rechtlichen Nachteil zur Folge hätte, der sich im weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben ließe (BGH a.a.O.). Auch wenn ein Sachverständiger grundsätzlich nicht befugt ist, ein Rechtsmittel gegen die Endentscheidung einzulegen, ergibt sich daraus indes kein Beschwerderecht gegen seine Entbindung als Sachverständiger.

3. Von der nicht anfechtbaren Entziehung des Auftrags zu unterscheiden ist die Auferlegung der durch die Weigerung der Gutachtenerstattung verursachten Kosten (Ziff. 2 des Beschlusses vom 17.2.2017). Insoweit ist die sofortige Beschwerde entsprechend § 409 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO statthaft und wurde form- und fristgerecht gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO eingelegt.

Die sofortige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Sachverständige erklärt insoweit in dem Beschwerdeschriftsatz vom 24.2.2017, dass er der Feststellung widerspreche, er würde sich weigern, den Gutachtenauftrag zu erfüllen.

Es ist in der Literatur umstritten, ob im Verstreichenlassen der ersten und zweiten Nachfrist ohne weiteres eine Gutachtenverweigerung erblickt werden kann (so Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 411 Rn. 7; Zimmermann in MünchKomm-ZPO, 5. Aufl., § 411 Rn. 8; aA Scheuch in BeckOK-ZPO, Stand: 1.3.2017, § 411 Rn. 9). Einigkeit besteht aber dahingehend, dass ein Gericht jedenfalls dann berechtigt ist, dem Sachverständigen den Gutachtenauftrag unter Verlust der Vergütung zu entziehen und einen anderen Sachverständigen zu beauftragen, wenn nicht nur die (erste) Nachfrist zur Gutachtenersta...

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