Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebühren und Auslagen in FGG-Familiensachen. Ermessensausübung und Bestimmungsbefugnis des Gerichts
Leitsatz (amtlich)
In FG-Familiensachen erfasst § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO Gebühren und Auslagen (Definition der Kosten in § 1 KostO). Die Ermessensausübung und Bestimmungsbefugnis bezüglich des Zahlungspflichtigen oder des Absehens von der Erhebung von Kosten liegt beim Richter. Er hat insoweit eine Kostengrundentscheidung zusammen mit der abschließenden Hauptsacheentscheidung oder bei anderer Verfahrensbeendigung wie Antragsrücknahme und Erledigung der Hauptsache isoliert zu treffen. Eine Beschränkung dieser Befugnis auf die Fälle, in denen durch eine Vornahmeentscheidung eine Gebühr ausgelöst wird, entspricht nicht dem Gesetzeszweck. Im Anwendungsbereich des § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO ist kein Raum für § 2 KostO gegeben. Dies ist auch der Fall, wenn beim Ruhen des Verfahrens derzeit eine Kostengrundentscheidung nicht möglich ist.
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 3 S. 1; KostO §§ 1, 2 Nr. 2, § 94 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Besigheim (Beschluss vom 14.04.2008; Aktenzeichen 4 F 367/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Familienrichterin des AG Besigheim - FamG - vom 14.4.2008 - 4 F 367/06 (UG), abgeändert:
Auf die Erinnerung des Antragstellers wird der Kostenansatz der Kostenbeamtin des AG Besigheim vom 7.1.2008 - 4 F 367/06, i.H.v. 7.719,71 EUR aufgehoben.
Das Erinnerungsverfahren und das Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.
Gründe
1. Mit dem Kostenansatz des AG Besigheim vom 7.1.2008 (Kostenrechnung der Landesoberkasse Baden-Württemberg vom 24.1.2008) wurden die in dem Verfahren wegen Regelung des Umgangs mit dem gemeinschaftlichen Kind bislang angefallenen Auslagen für Zustellungen nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 KostO (4,28 EUR), für an den Verfahrenspfleger gezahlte Beträge nach § 137 Abs. 1 Nr. 16 KostO (1.293,30 EUR) und für die Sachverständigenvergütung nach § 137 Abs. 1 Nr. 5 KostO (6.422,13 EUR), insgesamt 7.719,71 EUR, ggü. dem Antragsteller zur Abrechnung gebracht.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.6.2007 hatten die Eltern eine vorläufige Vereinbarung zur Umgangsregelung getroffen. Danach wurde antragsgemäß das Ruhen des Verfahrens zur langsamen Umsetzung des unbetreuten Umgangs des Antragstellers mit dem Kind angeordnet. Nach Wiederanruf des Verfahrens wurde erneut auf Antrag beider Eltern mit Beschluss vom 12.3.2008 das Ruhen des Verfahrens angeordnet, das von diesen seither nicht weiterbetrieben wird.
Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenansatz wurde durch Beschluss der Familienrichterin vom 14.4.2008 als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat die Amtsrichterin ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Vertreterin der Staatskasse wurde am Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren beteiligt.
2. Die unbefristete Beschwerde ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2, Abs. 6 Satz 1 und 4, Abs. 7 Satz 1 KostO zulässig und in der Sache auch begründet.
Eine ausdrückliche Beschränkung der Rechtsbehelfe auf die Sachverständigenkosten wurde vom Antragsteller nicht vorgenommen, so dass über sämtliche in Ansatz gebrachten Auslagen entschieden wird. Zumal die nicht befristeten Rechtsbehelfe - sich ausdehnend auf die weiteren Auslagen - jederzeit nachgeholt werden könnten.
Die Familienrichterin stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung, dass § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO nur die gerichtlichen Gebühren erfasse, nicht aber die Auslagen nach § 137 KostO und dass die Vorschrift einer erweiterten Anwendung nicht zugänglich sei, auf die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 15.5.2001 - 10 WF 958/01, veröffentlicht in FPR 2001, 396 = OLGReport Nürnberg 2001, 370 = NJW-RR 2002, 77. Sie verkennt dabei, dass die bis 31.12.2001 geltende Fassung der KostO in § 94 Abs. 3 Satz 2 das Wort "Gebühr" verwendete, während es ab 1.1.2002 heißt: "Kosten".
Die Rechtsprechung des OLG Nürnberg und weiterer Obergerichte zur alten Fassung der KostO, die überwiegend in § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO nur eine Rechtsgrundlage sah für eine Entscheidung über die Gerichtsgebühren, nicht aber über die gerichtlichen Auslagen, die nach § 2 Nr. 2 KostO beim Interesseschuldner zu erheben waren, ist damit überholt (Waldner in Rohs/Wedewer, Kostenordnung, 2. Aufl. Dezember 2006, § 94 Rz. 26 mit Rechtsprechungsübersicht).
Seit das Gewaltschutzgesetz den Begriff "Gebühr" durch "Kosten" ersetzt hat, ist klargestellt, dass Gebühren und Auslagen (Definition der Kosten in § 1 KostO) erlassen werden können und von der Vorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO insgesamt erfasst werden.
Diese Auffassung wurde vom Senat im Übrigen schon vor der Gesetzesänderung vertreten (JurBüro 1987, 1530 = Die Justiz 1987; JurBüro 1997, 606 = Die Justiz 1997, 341 = FamRZ 1998, 40) und nach dieser beibehalten (Beschl. v. 26.2.2004 - 8 WF 103/03).
Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 2 Kost...