Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses wegen Verletzung der Auskunftspflicht in der Hauptversammlung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses wegen Verletzung der Auskunftspflicht in der Hauptversammlung

 

Tenor

I Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 31. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 19.12.2017 (31 O 33/16 KfH) gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 4.11.2019.

III Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 100.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I Die Klägerin wendet sich als Aktionärin der Beklagten gegen die in der Hauptversammlung der Beklagten am 29.6.2016 gefassten Beschlüsse über die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine börsennotierte Gesellschaft in der Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE) mit Sitz in Stuttgart. Ihr früheres operatives Geschäft, d.h. den Automobilbau, hat sie im Jahr 2007 zunächst in die Tochtergesellschaft D. AG eingebracht. Seitdem ist die Beklagte eine reine Holdinggesellschaft ohne operatives Geschäft.

Im Geschäftsjahr 2015 hielt die Beklagte 52,2 % der Stammaktien und 30,8 % des gezeichneten Kapitals (einschließlich der stimmrechtslosen Vorzugsaktien) an der V. AG mit Sitz in W. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag zwischen der Beklagten und der V. AG bestand demgegenüber nicht.

Am 20.9.2015 teilte die V. AG in einer Pressemitteilung (Anlage B 24) mit, dass die amerikanischen Umweltbehörden EPA und CARB die Öffentlichkeit in den USA darüber informiert hätten, dass bei Abgastests an Fahrzeugen mit Dieselmotoren des V. Konzerns Manipulationen festgestellt worden seien und damit gegen amerikanische Umweltgesetze verstoßen worden sei.

Am 22.9.2015 veröffentlichte die V. AG eine Ad-hoc-Mitteilung, der zufolge nach bisherigen internen Prüfungen weltweit rund 11 Mio Fahrzeuge mit Dieselmotoren des Typs EA 189 Auffälligkeiten bezüglich ihres Stickoxidausstoßes aufwiesen, weshalb beabsichtigt sei, im 3. Quartal des laufenden Geschäftsjahres rund 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückzustellen und die Ergebnisziele des Konzerns für 2015 anzupassen. Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 22.9.2015 (Anlage B 25; vgl. außerdem Pressemitteilung Anlage B 26) verwiesen.

Mit Pressemitteilung vom 22.9.2015 gab die Beklagte bekannt, dass die von der V. AG geplante Rückstellungsbildung einen ergebnisbelastenden Effekt für die Beklagte erwarten lasse (zu den Einzelheiten vgl. Anlage B 27).

Ende September 2015 beauftragte der Aufsichtsrat der V. AG die US-amerikanische Anwaltssozietät J. mit einer Untersuchung.

Mit Wirkung zum 26.9.2015 legte Prof. Dr. W. sein Amt als Mitglied und Vorsitzender des Vorstands der V. AG nieder. Zudem beendete er seine Tätigkeit als Mitglied und Vorsitzender des Vorstands der Beklagten zum 31.10.2015 (vgl. S. 17, 30 des Geschäftsberichts der Beklagten 2015, Anlage B 2).

Am 22.4.2016 teilte die V. AG der Presse mit, dass eine Veröffentlichung von Zwischenergebnissen von J. mit unvertretbaren Risiken für V. verbunden sei und daher entgegen der ursprünglichen Ankündigung zum gegenwärtigen Zeitpunkt unterbleibe. Diese Entscheidung beruhe auf der übereinstimmenden Einschätzung der von V. mandatierten US-Rechtsanwaltssozietäten, die unabhängig voneinander von einer entsprechenden Veröffentlichung abgeraten hätten. Zu den Einzelheiten wird auf die Pressemittelung vom 22.4.2016 (Anlage B 29) verwiesen. Auch in der Hauptversammlung der V. AG am 22.6.2016 beriefen sich der Vorstandsvorsitzende und der Aufsichtsratsvorsitzende auf die noch nicht abgeschlossene Untersuchung von J. sowie auf noch nicht abgeschlossene Verhandlungen mit Behörden und Klägern in den USA (zu den Einzelheiten vgl. GA II 235 f. Rn. 107).

Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 19.5.2016 lud der Vorstand der Beklagten zur ordentlichen Hauptversammlung am 29.6.2016 ein. Die Tagesordnung umfasste u.a. die Vorlage des festgestellten Jahresabschlusses, des gebilligten Konzernabschlusses mit Lagebericht, des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns und des Berichts des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2015 als TOP 1, die Verwendung des Bilanzgewinns als TOP 2, die Entlastung der im Geschäftsjahr 2015 amtierenden Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats als TOP 3 und 4 und die Wahl des Abschlussprüfers als TOP 5.

In der Hauptversammlung der Beklagten am 29.6.2016 stellte der Vorstand der Klägerin zahlreiche Fragen und machte sich Fragen anderer Aktionäre zu Eigen. Sodann gab er zu notariellem Protokoll, dass diese Fragen nicht ausreichend beantworten seien, und dass er allen Beschlussfassungen widerspreche.

Am 28.6.2016 gab die V. AG bekannt, dass Vergleichsvereinbarungen mit US-Bundesbehörden, privaten Klägern und 44 US-Staaten hätten erzielt werden können. Zu den Einzelheiten wird auf die Pressem...

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