Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses wegen Verletzung der Auskunftspflicht in der Hauptversammlung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses wegen Verletzung der Auskunftspflicht in der Hauptversammlung

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 31. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 19.12.2017 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das in Ziff. 1 erwähnte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I Die zulässige Berufung der Beklagten hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats in der Sache keinen Erfolg, § 522 Abs. 2 ZPO. Zur Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 7.10.2019 verwiesen. Das weitere Vorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 31.10.2019 rechtfertigt keine abweichende Betrachtungsweise.

1. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, dass ihre auf die Zeit vor dem 18.9.2015 bezogene Auslegung der Frage nach den "daraufhin" ergriffenen Maßnahmen jedenfalls vertretbar gewesen sei. Im Einzelnen argumentiert die Beklagte insofern, aus ihrer Antwort sei für die Fragesteller ablesbar gewesen, in welcher Weise die Beklagte die Frage auslege. Es sei daher Sache der Fragesteller gewesen, durch eine Nachfrage oder einen Hinweis darüber aufzuklären, dass die Frage weitergehend gemeint gewesen sei. Dem hätten die Fragesteller nicht entsprochen, vielmehr habe der Aktionärsvertreter W. erst am Ende der Hauptversammlung die Rüge erhoben, alle seine Fragen sowie die Fragen anderer Aktionäre seien ausweichend beantwortet worden (vgl. S. 2 f. der Stellungnahme vom 31.10.2019, GA VII 1170 f.).

Mit dieser Argumentation vermag die Beklagte nicht durchzudringen.

a) Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Aktionär das Risiko der Unklarheit begehrter Auskünfte trägt. Wird anhand der vom Vorstand erteilten Antwort auf eine Frage offenkundig erkennbar, dass der Vorstand die Frage in anderer Weise auslegt als der Aktionär, so obliegt es diesem, darauf hinzuweisen, dass er die Frage in einem anderen Sinn gemeint hat und entsprechende Auskunft begehrt (OLG Stuttgart Urteil vom 8.7.2015 - 20 U 2/14 - juris Rn. 436; OLG Frankfurt Beschluss vom 8.11.2012 - 21 W 33/11 - juris Rn. 42, 44; Großkommentar AktG/Decher 5. Aufl. § 131 Rn. 268 (online)).

b) Jedoch fehlt es vorliegend bereits an der Erkennbarkeit des Ergebnisses der Auslegung durch die Organe der Beklagten. In ihrer Antwort auf die Fragen 1 und 2 haben die Vorsitzenden von Aufsichtsrat und Vorstand der Beklagten lediglich Ausführungen zum Zeitpunkt der Kenntnis der Organmitglieder der Beklagten mit und ohne Doppelfunktion gemacht. Auf die von den Organmitgliedern getroffenen Maßnahmen sind die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat demgegenüber nicht eingegangen. Vor diesem Hintergrund wurde für die Aktionäre auch nicht deutlich, in welcher Weise die Organmitglieder der Beklagten die Frage nach den "daraufhin" getroffenen Maßnahmen auslegten.

c) Zur Frage der Rügeobliegenheit im Übrigen kann auf S. 17 f. des Senatsbeschlusses vom 7.10.2019 verwiesen werden.

2. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass den Aktionären in Ansehung der ergriffenen Maßnahmen genügend Informationen vorgelegen hätten, um über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sachgerecht entscheiden zu können, vermag sie hiermit ebenfalls nicht durchzudringen.

a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, dass aus dem Geschäftsbericht für 2015 und aus den Redebeiträgen des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Vorstandsvorsitzenden auch Maßnahmen des Vorstands ersichtlich gewesen seien.

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten war für den Durchschnittsaktionär nicht alleine infolge der gesetzlichen Aufgabenverteilung ersichtlich, dass sämtlichen im Geschäftsbericht beschriebenen Prüfungshandlungen des Aufsichtsrats entsprechende Maßnahmen des Vorstands zugrunde lagen (vgl. dazu S. 5 Rn. 13 der Stellungnahme der Beklagten vom 31.10.2019, GA VII 1173).

Dass der Vorstand gem. § 170 Abs. 1 AktG den Jahresabschluss und den Lagebericht dem Aufsichtsrat vorzulegen hat, besagt nichts darüber, wer die im Geschäftsbericht aufgeführten Maßnahmen im Einzelnen veranlasst hat. Dies gilt bereits deshalb, weil der größte Teil der im Geschäftsbericht 2015 erwähnten Maßnahmen im Bericht des Aufsichtsrats beschrieben wurde (vgl. S. 20 ff. des Geschäftsberichts 2015, Anlage B 2), der sich naturgemäß zumindest im Ausgangspunkt mit der Tätigkeit des Aufsichtsrats befasst.

bb) Der Hinweis der Beklagten auf S. 31 (richtig: S. 21) des Geschäftsberichts 2015 ist ebenfalls nicht zielführend (vgl. S. 5 Rn. 15 der Stellungnahme ...

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