Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsrecht und Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften des Art. 111 FGG-RG und des § 48 VersAusglG über das anwendbare meterielle und Verfahrensrecht stehen nicht zur Disposition der Beteiligten.
2. Eine in Fällen einer unwirksamen Startgutschrift getroffene Vereinbarung über den Wert des Anrechts eines Ehegatten auf Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bedarf der Zustimmung jedenfalls des betroffenen Versorgungsträgers.
3. Bei unzutreffender Anwendung des ab 1.9.2009 geltenden Rechts kommt eine Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht in Betracht.
Normenkette
FGG-RG Art. 111; VerAusglG § 48
Verfahrensgang
AG Leonberg (Urteil vom 05.10.2009; Aktenzeichen 1 F 516/08) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird das Urteil des AG - Familiengericht - Leonberg vom 5.10.2009 in Nr. 2 und 3 der Entscheidungsformel aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das AG - Familiengericht - Leonberg zurückverwiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 2.000 EUR
Gründe
I. Die am 30.12.1944 geborene Antragstellerin und der am 7.9.1944 geborene Antragsgegner schlossen am 1.10.1970 die Ehe. Die Antragstellerin stellte im Jahr 2008 Scheidungsantrag.
Beide Eheleute haben während der Ehezeit nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, wobei die Anwartschaften der Antragstellerin werthöher sind. Der Antragsgegner ist daneben Inhaber angleichungsdynamischer Anrechte. Zusätzlich stehen ihm Ansprüche gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Beteiligte zu 3) zu.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung im Scheidungsverbundverfahren vom 28.9.2009 wies das Familiengericht die Parteien im Zusammenhang mit der Folgesache Versorgungsausgleich darauf hin, dass grundsätzlich altes Recht anzuwenden sei, was aber die Notwendigkeit der Aussetzung des Verfahrens zur Folge habe. Nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens, die alsbald erfolgen könne, sei allerdings gemäß der Übergangsregelung neues Recht anzuwenden. Daher schlage das Gericht den Parteien vor, die Anwendbarkeit des neuen Rechts zu vereinbaren. Diesem Vorschlag folgend, erklärten die Parteien:
"Wir sind uns darüber einig, dass im Versorgungsausgleich das ab dem 1.9.2009 geltende Recht angewendet werden soll".
Außerdem erklärten sich die Parteien darüber einig, dass der in der Versorgungsauskunft der Beteiligten zu 3 genannte Anwartschaftsbetrag der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zugrunde gelegt werden könne.
Daran anschließend schlossen sie eine umfangreiche Scheidungsfolgenvereinbarung ab, in der unter Nr. 5 geregelt wurde, dass der Versorgungsausgleich nach den (neuen) gesetzlichen Vorschriften ungekürzt durchgeführt werden solle.
Mit Scheidungsverbundurteil vom 6.10.2009 führte das Familiengericht den Versorgungsausgleich nach neuem Recht durch und legte dabei als Ausgleichswert den in der Versorgungsauskunft der Beteiligten zu 3 genannten Betrag zugrunde.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 3 gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Zur Begründung führt sie an, dass ihre nach altem Recht erteilte Versorgungsauskunft bei einer Ausgleichsberechnung nach neuem Recht nicht verwendet werden dürfe, da die Berechnung des Ehezeitanteils der Versorgungsanwartschaft nach neuem Recht gem. § 5 VersAusglG nach anderen Kriterien zu erfolgen habe als nach altem Recht.
Außerdem ist die Beteiligte zu 3 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2009, 211 und 303) der Auffassung, das Familiengericht hätte das Versorgungsausgleichsverfahren ohnehin im Hinblick auf die Problematik der ungeregelten Startgutschriften (FamRZ 2008, 395 - LS - m. Anm. Borth) aussetzen müssen.
II.1. Gemäß Art. 111 FGG-RG sind auf dieses Beschwerdeverfahren noch die vor Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden. Die Vereinbarung der Parteien über die Anwendung des ab dem 1.9.2009 geltenden materiellen Versorgungsausgleichsrechts kann daran schon deshalb nichts ändern, weil das anwendbare Verfahrensrecht nicht zur Disposition der Parteien steht.
2. Auf die zulässige (§§ 629a Abs. 2, 621e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) Beschwerde der Beteiligten zu 3 war die angefochtene Entscheidung über den Versorgungsausgleich aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG - Familiengericht - Leonberg zurückzuverweisen, denn das Familiengericht hat zu Unrecht das ab dem 1.9.2009 geltende neue Versorgungsausgleichsrecht angewandt (dazu a). Außerdem konnte die Vereinbarung über den Wert der Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners bei der Beteiligten zu 3 nur unter Beteiligung der Versorgungsträger bzw. mindestens der Beteiligten zu 3 geschlossen werden (dazu b).
a) Die Berechnung des Versorgungsausgleichs konnte nicht nach den Maßstäben des ab dem 1.9.2009 geltenden Versorgungsa...